"Ich frage mich oft, ob wir nicht viel zu nett sind"
Wie lebt man damit, dass Komponisten "ernster Musik" sich in einer durch Fördermittel geschaffenen Hochkultur-Luftblase bewegen?
"Luftblase" ist gut. Der Hindemith-Preis ist von einer Stiftung, das [Schleswig-Holstein Musik Festival] Orchester [das "Folie" aufführt] wird vom Festival getragen, das subventioniert ist. Wenn die Hamburger Symphoniker ein Stück von mir ["Nachtferne"] spielen, sind auch die wieder subventioniert. Das geht heute nicht mehr anders. Eine Massenverbreitung muss man nicht wollen und soll man nicht wollen. Damit ist auch gesagt, dass man auf eine Kunstförderung, sei es von privater oder öffentlicher Seite, immer angewiesen ist. Das finde ich auch nicht anrüchig, sondern das heißt nur, dass wir uns, wenn wir Neues wagen wollen, nicht den Gesetzen des Marktes unterordnen, sonst hätten wir amerikanische Verhältnisse.
Was wäre so schlimm daran, wenn Komponisten sich durchsetzen müssten?
Ein System, das verlangt, dass die Komponisten sich durchsetzen müssen, verlangt danach, dass sie etwas schreiben, was nicht ihre eigene Meinung ist. Am Markt setzt sich etwas durch, was als Produkt geschaffen wird und dann immer weiter dieses Produkt sein muss. Kunst muss immer anders sein.
Wo bleibt eigentlich die Abrechnung der heute um die 30-Jährigen mit ihren künstlerischen Vaterfiguren?
Ich frage mich oft, ob wir nicht viel zu nett sind. Wir huldigen allem: Wir schätzen die Musik der großen klassischen Komponisten von Monteverdi bis Wagner; wir sagen, dass auch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts großartige Komponisten hervorgebracht hat; und die Nachkriegsgeneration - die viele der Probleme, die wir mit zeitgenössischer Musik haben, sehr verstärkt hat - wird positiv bis heldenhaft gesehen. Da scheint mir, dass die Generationenabrechnung kommen müsste.
Der Hindemith-Preis ging in den Jahren zuvor an Matthias Pintscher, Jörg Widmann oder Rebecca Saunders. Worin besteht der besondere Beitrag dieser Komponistengeneration?
Ich glaube, Pintscher und Widmann, die sehr unterschiedliche Musik schreiben, ist gemeinsam, dass sie eine ganz große Wärme und positiv verstandene Musikalität in ihren Stücken haben. Einen Melos, ohne platte Hülsen zu wiederholen. Ich hoffe, dass ich in der Richtung auch tätig bin. Vom Abstrakten zurück ins Poetische, das wäre der Weg, den diese Generation gemeinsam geht. Das Melos ist das Verbindende.
Ilja Stephan, Die Welt, 4. August 2004
"Luftblase" ist gut. Der Hindemith-Preis ist von einer Stiftung, das [Schleswig-Holstein Musik Festival] Orchester [das "Folie" aufführt] wird vom Festival getragen, das subventioniert ist. Wenn die Hamburger Symphoniker ein Stück von mir ["Nachtferne"] spielen, sind auch die wieder subventioniert. Das geht heute nicht mehr anders. Eine Massenverbreitung muss man nicht wollen und soll man nicht wollen. Damit ist auch gesagt, dass man auf eine Kunstförderung, sei es von privater oder öffentlicher Seite, immer angewiesen ist. Das finde ich auch nicht anrüchig, sondern das heißt nur, dass wir uns, wenn wir Neues wagen wollen, nicht den Gesetzen des Marktes unterordnen, sonst hätten wir amerikanische Verhältnisse.
Was wäre so schlimm daran, wenn Komponisten sich durchsetzen müssten?
Ein System, das verlangt, dass die Komponisten sich durchsetzen müssen, verlangt danach, dass sie etwas schreiben, was nicht ihre eigene Meinung ist. Am Markt setzt sich etwas durch, was als Produkt geschaffen wird und dann immer weiter dieses Produkt sein muss. Kunst muss immer anders sein.
Wo bleibt eigentlich die Abrechnung der heute um die 30-Jährigen mit ihren künstlerischen Vaterfiguren?
Ich frage mich oft, ob wir nicht viel zu nett sind. Wir huldigen allem: Wir schätzen die Musik der großen klassischen Komponisten von Monteverdi bis Wagner; wir sagen, dass auch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts großartige Komponisten hervorgebracht hat; und die Nachkriegsgeneration - die viele der Probleme, die wir mit zeitgenössischer Musik haben, sehr verstärkt hat - wird positiv bis heldenhaft gesehen. Da scheint mir, dass die Generationenabrechnung kommen müsste.
Der Hindemith-Preis ging in den Jahren zuvor an Matthias Pintscher, Jörg Widmann oder Rebecca Saunders. Worin besteht der besondere Beitrag dieser Komponistengeneration?
Ich glaube, Pintscher und Widmann, die sehr unterschiedliche Musik schreiben, ist gemeinsam, dass sie eine ganz große Wärme und positiv verstandene Musikalität in ihren Stücken haben. Einen Melos, ohne platte Hülsen zu wiederholen. Ich hoffe, dass ich in der Richtung auch tätig bin. Vom Abstrakten zurück ins Poetische, das wäre der Weg, den diese Generation gemeinsam geht. Das Melos ist das Verbindende.
Ilja Stephan, Die Welt, 4. August 2004