Drei Helden (2003/04)
Uraufführung (UA): Rheinsberg, Schlosstheater, 30. Mai 2004;
Farce für Musik
Auftragswerk der Musikakademie Rheinsberg.
Libretto von Francis Hüsers
nach Motiven von Homer, Daniel Defoe und Miguel de Cervantes
Der Teil "Odysseus" basiert auf dem Musiktheater "Wieder sehen", komponiert im Auftrag der Bayerischen Staatsoper.
Musikalische Leitung: Hee-Chuhn Choi
Inszenierung: Johannes Erath
Bühnenbild: Heinrich Tröger
Kostüme: Susana Mendoza
Meik Schwalm (Der Mann), Franziska Kimme (Die Frau), Renate Dasch (Die Mutter), Jan Träbing (Der Pfleger), Noriyuki Sawabu (Der Arzt), Mirka Wagner (Die Spanierin)
Ensemble Ki Berlin
Schlosstheater Rheinsberg
Weitere Vorstellungen:
Montag, 31. Mai 2004 (Pfingstmontag), 15 Uhr;
Samstag, 12. Juni 2004, 19.30 Uhr;
Sonntag, 13. Juni 2004, 15 Uhr
Besetzung Gesangssolisten:
Der Mann - Charakterbariton
Die Frau - lyrischer Mezzosopran
Die Mutter - Sprecherin (tief)
Der Pfleger - Charakterbariton
Der Arzt - hoher Tenor
Die Spanierin - Koloratursopran
Besetzung Ensemble (13 Spieler):
Fl (auch Picc, auch Bassfl) - Ob (auch EH) - Kl (auch Bkl) - Pos
Klav - Cemb (auch Cel) - Hrf - Git (auch E-Git)
Sz (1 Spieler)
Vl - Va - Vc - Kb
Farce für Musik
Auftragswerk der Musikakademie Rheinsberg.
Libretto von Francis Hüsers
nach Motiven von Homer, Daniel Defoe und Miguel de Cervantes
Der Teil "Odysseus" basiert auf dem Musiktheater "Wieder sehen", komponiert im Auftrag der Bayerischen Staatsoper.
Musikalische Leitung: Hee-Chuhn Choi
Inszenierung: Johannes Erath
Bühnenbild: Heinrich Tröger
Kostüme: Susana Mendoza
Meik Schwalm (Der Mann), Franziska Kimme (Die Frau), Renate Dasch (Die Mutter), Jan Träbing (Der Pfleger), Noriyuki Sawabu (Der Arzt), Mirka Wagner (Die Spanierin)
Ensemble Ki Berlin
Schlosstheater Rheinsberg
Weitere Vorstellungen:
Montag, 31. Mai 2004 (Pfingstmontag), 15 Uhr;
Samstag, 12. Juni 2004, 19.30 Uhr;
Sonntag, 13. Juni 2004, 15 Uhr
Besetzung Gesangssolisten:
Der Mann - Charakterbariton
Die Frau - lyrischer Mezzosopran
Die Mutter - Sprecherin (tief)
Der Pfleger - Charakterbariton
Der Arzt - hoher Tenor
Die Spanierin - Koloratursopran
Besetzung Ensemble (13 Spieler):
Fl (auch Picc, auch Bassfl) - Ob (auch EH) - Kl (auch Bkl) - Pos
Klav - Cemb (auch Cel) - Hrf - Git (auch E-Git)
Sz (1 Spieler)
Vl - Va - Vc - Kb
Einführung
Handlung
Teil I "Odysseus"
Zu Hause. An einem einzigen Tag.
Wir sehen ein Ehepaar in der Krise. Der Mann hat eine Psychose erlitten. Aus der Psychiatrie nach Hause entlassen, spricht er mit seiner Frau in den Gesängen Homers, die sie sich in besseren Ehe-Tagen vorgelesen haben. Die Mutter des Mannes nimmt dabei die Rolle der Eurykleia an, der Amme Odysseus'. Doch der Versuch, wieder zu einander zu finden, scheitert offenbar an der Krankheit des Mannes.
Teil II "Robinson"
In einer psychiatrischen Klinik. Im Ablauf mehrerer Wochen.
Der Mann wird medikamentös behandelt. Sein Pfleger findet ein Buch neben seinem Bett und liest ihm daraus vor, es ist "Robinson Crusoe". Also spielen sie Robinson und Freitag, während die Frau die Notwendigkeit der Trennung erklärt. Der Arzt moderiert den Trennungs- und den Heilungsprozess. Wieder gesund, wird der Mann entlassen.
Teil III "Quijote"
Draußen. Im Ablauf mehrerer Monate.
Der Mann hat sich mit seinem ehemaligen Pfleger angefreundet, der ihm helfen will, die Frau wiederzugewinnen. Sie stellen ihr auf der Straße nach, doch die Frau will keinen Kontakt. Auf einem Sommerfest flirtet der Mann mit einer Spanierin, die sich wohl in ihn verliebt hat, aber auch das endet im Fiasko. Erst im Herbst ist es der Mutter und dem Pfleger gelungen, ein Treffen von Frau und Mann zu arrangieren. Zum ersten Mal sprechen sie sich aus, zum ersten Mal verstehen sie. Die Frau sieht Chancen für einen Neuanfang, doch der Mann lehnt ab.
Francis Hüsers, 2004
Teil I "Odysseus"
Zu Hause. An einem einzigen Tag.
Wir sehen ein Ehepaar in der Krise. Der Mann hat eine Psychose erlitten. Aus der Psychiatrie nach Hause entlassen, spricht er mit seiner Frau in den Gesängen Homers, die sie sich in besseren Ehe-Tagen vorgelesen haben. Die Mutter des Mannes nimmt dabei die Rolle der Eurykleia an, der Amme Odysseus'. Doch der Versuch, wieder zu einander zu finden, scheitert offenbar an der Krankheit des Mannes.
Teil II "Robinson"
In einer psychiatrischen Klinik. Im Ablauf mehrerer Wochen.
Der Mann wird medikamentös behandelt. Sein Pfleger findet ein Buch neben seinem Bett und liest ihm daraus vor, es ist "Robinson Crusoe". Also spielen sie Robinson und Freitag, während die Frau die Notwendigkeit der Trennung erklärt. Der Arzt moderiert den Trennungs- und den Heilungsprozess. Wieder gesund, wird der Mann entlassen.
Teil III "Quijote"
Draußen. Im Ablauf mehrerer Monate.
Der Mann hat sich mit seinem ehemaligen Pfleger angefreundet, der ihm helfen will, die Frau wiederzugewinnen. Sie stellen ihr auf der Straße nach, doch die Frau will keinen Kontakt. Auf einem Sommerfest flirtet der Mann mit einer Spanierin, die sich wohl in ihn verliebt hat, aber auch das endet im Fiasko. Erst im Herbst ist es der Mutter und dem Pfleger gelungen, ein Treffen von Frau und Mann zu arrangieren. Zum ersten Mal sprechen sie sich aus, zum ersten Mal verstehen sie. Die Frau sieht Chancen für einen Neuanfang, doch der Mann lehnt ab.
Francis Hüsers, 2004
Gilt die Ehe nur, wenn alles gut läuft? Der Mann (Meik Schwalm) und die Frau (Franziska Kimme).
Wir erhöhen die Dosis. Der Arzt (Noriyuki Sawabu) untersucht den Mann (Meik Schwalm).
Es gibt keinen Stillstand. Der Mann (Meik Schwalm) und der Pfleger (Jan Träbing).
Ein merkwürdiges Treffen. Mit zwei Sekundanten im Park! Der Mann (Meik Schwalm) und die Frau (Franziska Kimme) mit der Mutter (Renate Dasch), im Hintergrund der Pfleger (Jan Träbing).
Alle Photos: Jean Severin
Alle Photos: Jean Severin
Rezensionen
Brauchen wir eigentlich noch Helden?
Uraufführung von Jörn Arneckes Farce für Musik "Drei Helden"
Uraufführung von Jörn Arneckes Farce für Musik "Drei Helden"
Wie jedes Jahr zur "Pfingstwerkstatt Neue Musik" gab es auch zum diesjährigen Pfingstfest wieder eine Uraufführung in der Musikakademie Rheinsberg. Die Pfingstwerkstatt soll jungen Komponisten ein Podium für neue Musiktheaterkonzepte bieten. Sind in den Vorjahren Kompositionsaufträge an nicht mehr all zu junge Komponisten wie Helmut Zapf, Thomas Bürkholz, Georg Katzer und Paul-Heinz Dittrich vergeben worden, ging im Jahr 2004 ein Auftrag an den 30-jährigen Jörn Arnecke.
Gemeinsam mit dem Librettisten Francis Hüsers, der bereits für das Libretto zu Arneckes Musiktheaterstück "Das Fest im Meer" (UA Hamburg, 2003) verantwortlich zeichnete, schuf der junge Hamburger Komponist eine "Farce für Musik", die von ihm speziell für das Schlosstheater Rheinsberg zugeschnitten wurde. Die Gattungsbezeichnung Farce verwirrt, denn mit Literatursatire oder komischem Lustspiel hat das Stück nur wenig zu tun. Dafür ist das Hauptthema zu ernst, das sich rund um die Schwerpunkte Rückkehr, Sicherheit, Heimat und deren Gegensätze Fremde, Isolation, Orientierungslosigkeit bewegt.
Zur Umsetzung solch eminenter Begriffe wird die Handlung in zwei verschiedene Ebenen gelegt. Da ist einerseits eine banale und mittlerweile alltägliche Ebene, nämlich der Beziehungskonflikt eines Ehepaares. Beide, DIE FRAU und DER MANN, durchlaufen den Weg der Entfremdung, deren Ursache in einer geistigen Verwirrtheit, einer Schizophrenie des Mannes zu suchen ist. Die andere Ebene verlagert Hüsers in die Literaturgeschichte. Mit Hilfe der "Drei Helden" — Odysseus, Robinson Crusoe und Don Quijote — soll das Paar seine Konflikte lösen. Eine reizvolle aber schwierige Aufgabe für Johannes Erath, der in Rheinsberg sein Regiedebüt gab.
Zur Handlung: DER MANN wird aus der Psychiatrie entlassen, ist aber nicht in der Lage, mit DER FRAU zu kommunizieren. Sie bedienen sich eines Therapiespieles und lesen sich gegenseitig aus Homers Odysseus vor. Die Heimkehr des Partners soll so erleichtert werden. Erreicht aber wird das Gegenteil. Odysseus, der herumirrende Seefahrer, verursacht einen Rückfall, DER MANN wird wieder in die Anstalt eingewiesen. Dort bedarf es eines weitern Helden: Robinson Crusoe. In wochenlanger Therapie übernimmt der zum Freund gewordene PFLEGER die Rolle des Vorlesers. Ständig kommt es zum Rollentausch zwischen MANN und Robinson und zwischen PFLEGER und die von ihm übernommene Rolle des Robinson-Gefährten Freitag. Der positive Umgang mit Isolation und der starke Lebenswille des Romanhelden hilft dem MANN schließlich zu gesunden. Doch die Ehe ist in der Zeit des erneuten Klinikaufenthaltes gescheitert. DIE FRAU verlässt den MANN.
Im dritten Teil will der MANN seine FRAU zurück gewinnen, gerät zunächst wie einst Don Quijote in die Arme einer Spanierin, und findet dann mit Hilfe des PFLEGERS und der MUTTER zu seiner FRAU zurück. In der "Heimat" angekommen sind beide erstmals in der Lage, miteinander zu sprechen, sich zu verstehen, auch ohne die Hilfe eines Helden. Jetzt erst spüren sie, dass ein Neuanfang keine Chancen hat. Sie trennen sich. Endgültig? Das Ende bleibt offen.
Die Handlung wirft Fragen auf: Brauchen wir Helden, um in einer Welt der Isolation, Entfremdung und Orientierungslosigkeit zu überleben? Ist unser Selbstbewusstsein abhanden gekommen? Welche Rolle spielt heute der Begriff Heimat? Soll die Namenlosigkeit der Akteure das Publikum in die Handlung einbeziehen und Verallgemeinerung schaffen?
Arnecke jedenfalls zieht das Publikum in die Handlung hinein. Er wählt eine Aufstellung der Musiker, die keine Distanz zulässt. Das Orchester, das Ensemble Ki unter dem Dirigenten Hee-Chun Choi, sitzt auf der gleichen Höhe wie das Publikum. Auf die Ränge verteilt spielen vier der dreizehn Musiker. Ständig wechseln diese ihre Position und schaffen so eine gewisse Verwirrung. Auch eine Assoziation zur Orientierungslosigkeit? Die Komposition Arneckes, die sich im Grunde an Tradition orientiert, gewinnt durch die rhythmische Grundidee. Im Ausbruch des Wahns nimmt der MANN ein rhythmisches "Teck Tock" wahr. Dieser markante, aber trotzdem schwer zu bestimmende 5/8-Takt zieht sich durch das gesamte Stück. Auch die in der Partitur vorgeschriebene Verstimmung einiger Saiten des Cembalos, der akustischen Gitarre und der Harfe sorgen für unerhörte Klänge. Eine weitere sinnliche Identität wird mit der Obertonharmonik erreicht. Arnecke erlernte diese Kompositionstechnik als einer der letzten Schüler des Franzosen Gérard Grisey. Dessen Musik ging von den natürlichen Gegebenheiten des Obertonspektrums aus, und auch Arnecke erreicht dadurch eine Natürlichkeit und meditative Offenheit in seiner Musik.
Die Leistungen der Sänger/-innen (FRAU Franziska Kimme, PFLEGER Jan Träbing, ARZT Noriyuki Sawabu, SPANIERIN Mirka Wagner und MUTTER Renate Dasch in einer Sprech-Rolle), sind durchweg zu loben. Hier hat sich die von der Musikakademie ermöglichte mehrwöchige Probenphase bewährt. Die Artikulation kann dafür weniger befriedigen. Überzeugen konnte hier nur der MANN, Meik Schwalm. Zur schlechten Textverständlichkeit trug vielleicht auch die teilweise unausgewogene Dynamik zwischen Sängern und Instrumenten-Ensemble bei.
Im August wird Jörn Arnecke mit dem Paul-Hindemith-Preis, einer der höchst dotierten Komponistenpreise, ausgezeichnet. Er jedenfalls brauchte seine "Drei Helden", sie sind ein kleiner Meilenstein auf dem Weg dorthin.
Barbara Lieberwirth, neue musikzeitung, Juli / August 2004
Gemeinsam mit dem Librettisten Francis Hüsers, der bereits für das Libretto zu Arneckes Musiktheaterstück "Das Fest im Meer" (UA Hamburg, 2003) verantwortlich zeichnete, schuf der junge Hamburger Komponist eine "Farce für Musik", die von ihm speziell für das Schlosstheater Rheinsberg zugeschnitten wurde. Die Gattungsbezeichnung Farce verwirrt, denn mit Literatursatire oder komischem Lustspiel hat das Stück nur wenig zu tun. Dafür ist das Hauptthema zu ernst, das sich rund um die Schwerpunkte Rückkehr, Sicherheit, Heimat und deren Gegensätze Fremde, Isolation, Orientierungslosigkeit bewegt.
Zur Umsetzung solch eminenter Begriffe wird die Handlung in zwei verschiedene Ebenen gelegt. Da ist einerseits eine banale und mittlerweile alltägliche Ebene, nämlich der Beziehungskonflikt eines Ehepaares. Beide, DIE FRAU und DER MANN, durchlaufen den Weg der Entfremdung, deren Ursache in einer geistigen Verwirrtheit, einer Schizophrenie des Mannes zu suchen ist. Die andere Ebene verlagert Hüsers in die Literaturgeschichte. Mit Hilfe der "Drei Helden" — Odysseus, Robinson Crusoe und Don Quijote — soll das Paar seine Konflikte lösen. Eine reizvolle aber schwierige Aufgabe für Johannes Erath, der in Rheinsberg sein Regiedebüt gab.
Zur Handlung: DER MANN wird aus der Psychiatrie entlassen, ist aber nicht in der Lage, mit DER FRAU zu kommunizieren. Sie bedienen sich eines Therapiespieles und lesen sich gegenseitig aus Homers Odysseus vor. Die Heimkehr des Partners soll so erleichtert werden. Erreicht aber wird das Gegenteil. Odysseus, der herumirrende Seefahrer, verursacht einen Rückfall, DER MANN wird wieder in die Anstalt eingewiesen. Dort bedarf es eines weitern Helden: Robinson Crusoe. In wochenlanger Therapie übernimmt der zum Freund gewordene PFLEGER die Rolle des Vorlesers. Ständig kommt es zum Rollentausch zwischen MANN und Robinson und zwischen PFLEGER und die von ihm übernommene Rolle des Robinson-Gefährten Freitag. Der positive Umgang mit Isolation und der starke Lebenswille des Romanhelden hilft dem MANN schließlich zu gesunden. Doch die Ehe ist in der Zeit des erneuten Klinikaufenthaltes gescheitert. DIE FRAU verlässt den MANN.
Im dritten Teil will der MANN seine FRAU zurück gewinnen, gerät zunächst wie einst Don Quijote in die Arme einer Spanierin, und findet dann mit Hilfe des PFLEGERS und der MUTTER zu seiner FRAU zurück. In der "Heimat" angekommen sind beide erstmals in der Lage, miteinander zu sprechen, sich zu verstehen, auch ohne die Hilfe eines Helden. Jetzt erst spüren sie, dass ein Neuanfang keine Chancen hat. Sie trennen sich. Endgültig? Das Ende bleibt offen.
Die Handlung wirft Fragen auf: Brauchen wir Helden, um in einer Welt der Isolation, Entfremdung und Orientierungslosigkeit zu überleben? Ist unser Selbstbewusstsein abhanden gekommen? Welche Rolle spielt heute der Begriff Heimat? Soll die Namenlosigkeit der Akteure das Publikum in die Handlung einbeziehen und Verallgemeinerung schaffen?
Arnecke jedenfalls zieht das Publikum in die Handlung hinein. Er wählt eine Aufstellung der Musiker, die keine Distanz zulässt. Das Orchester, das Ensemble Ki unter dem Dirigenten Hee-Chun Choi, sitzt auf der gleichen Höhe wie das Publikum. Auf die Ränge verteilt spielen vier der dreizehn Musiker. Ständig wechseln diese ihre Position und schaffen so eine gewisse Verwirrung. Auch eine Assoziation zur Orientierungslosigkeit? Die Komposition Arneckes, die sich im Grunde an Tradition orientiert, gewinnt durch die rhythmische Grundidee. Im Ausbruch des Wahns nimmt der MANN ein rhythmisches "Teck Tock" wahr. Dieser markante, aber trotzdem schwer zu bestimmende 5/8-Takt zieht sich durch das gesamte Stück. Auch die in der Partitur vorgeschriebene Verstimmung einiger Saiten des Cembalos, der akustischen Gitarre und der Harfe sorgen für unerhörte Klänge. Eine weitere sinnliche Identität wird mit der Obertonharmonik erreicht. Arnecke erlernte diese Kompositionstechnik als einer der letzten Schüler des Franzosen Gérard Grisey. Dessen Musik ging von den natürlichen Gegebenheiten des Obertonspektrums aus, und auch Arnecke erreicht dadurch eine Natürlichkeit und meditative Offenheit in seiner Musik.
Die Leistungen der Sänger/-innen (FRAU Franziska Kimme, PFLEGER Jan Träbing, ARZT Noriyuki Sawabu, SPANIERIN Mirka Wagner und MUTTER Renate Dasch in einer Sprech-Rolle), sind durchweg zu loben. Hier hat sich die von der Musikakademie ermöglichte mehrwöchige Probenphase bewährt. Die Artikulation kann dafür weniger befriedigen. Überzeugen konnte hier nur der MANN, Meik Schwalm. Zur schlechten Textverständlichkeit trug vielleicht auch die teilweise unausgewogene Dynamik zwischen Sängern und Instrumenten-Ensemble bei.
Im August wird Jörn Arnecke mit dem Paul-Hindemith-Preis, einer der höchst dotierten Komponistenpreise, ausgezeichnet. Er jedenfalls brauchte seine "Drei Helden", sie sind ein kleiner Meilenstein auf dem Weg dorthin.
Barbara Lieberwirth, neue musikzeitung, Juli / August 2004
Ein Held statt drei
Uraufführung der Farce für Musik von Jörn Arnecke im Schlosstheater
Uraufführung der Farce für Musik von Jörn Arnecke im Schlosstheater
Die Uraufführung der "Drei Helden" im Rheinsberger Schlosstheater war ein Höhepunkt der diesjährigen Pfingstwerkstatt Neue Musik. Sie war zugleich für die Autoren — den Komponisten Jörn Arnecke, seinen Librettisten Francis Hüsers sowie für die Interpreten — ein voller Erfolg.
Im Mittelpunkt des dreiteiligen Werkes steht ein schizophrener Mann und die aus seiner Krankheit entstandene Ehekrise. Umgeben von schwarzen bekritzelten Wänden sitzt er, noch bevor das Spiel überhaupt beginnt, mit einer Rose in der Hand auf einem Podest, ein Bild, das am Ende wiederkehrt, wie auch die Anfangsmusik der drei Szenen. Es sind mal schrille Klangfetzen, mal leise Töne, Stimmen. Sie verfolgen den Kranken. Er kann ihnen nicht entfliehen. Mal ist er in der Nervenklinik, mal zu Hause.
Meik Schwalm verleiht diesem Mann in seiner Zwiespältigkeit bewegend Gestalt. Ihm nimmt man ab, dass er mit der Außenwelt nur kommunizieren kann, wenn er Helden aus seinen Lieblingsbüchern zitiert, also Homers Odysseus, Defoes Robinson und Cervantes‘ Don Quijote.
So beginnt das Stück mit einem Dialog zwischen ihm und der Frau, gesungen und gespielt von der Mezzosopranistin Franziska Kimme. Hinzu kommt die Mutter, Renate Dasch, als Sprecherin. Beobachtet werden alle von dem Arzt, dem japanischen Tenor Noriyuki Sawabu, und dem Pfleger, dem Bariton Jan Träbing. Wie in diesem ersten Teil "Odysseus" sind die Darsteller auch alle im zweiten Teil präsent, mehr oder weniger agierend. Im Teil drei — "Quijote" — kommt noch die Spanierin, gesungen von der Sopranistin Mirka Wagner, hinzu.
Es ist ein Spiel als Therapie, sagt die Frau zu Beginn. Doch das wird nicht klar und die Texte — ob gesprochen oder gesungen — sind leider über weite Strecken nicht zu verstehen.
Doch vieles wird durch Jörn Arneckes Musik deutlich, verständlich. Da dröhnen die Blechbläser, hämmert das Klavier, lassen klackende Klanghölzer die Vorstellung vom Nahen des einbeinigen Riesen aufkommen. Jörn Arneckes Musik verharmlost weder, noch bagatellisiert sie die mit der Krankheit einhergehende Dramatik. Dafür sorgt ihre Interpretation durch die Sänger und das Orchester, in dem sich junge Musiker, Berliner Spezialisten für Neue Musik, zum Ensemble Ki zusammengefunden haben. Hee-Chuhn Choi, dem die musikalische Leitung obliegt, inspiriert sowohl die Instrumentalisten wie die Solisten.
Abgesehen davon, dass die literarischen drei Helden nicht in Erscheinung treten, sondern nur ein Held, nämlich der Schizophrene, drängt sich bei der Regie (Johannes Erath) die Frage auf, ob die Autoren wirklich alle Figuren als mehr oder weniger schizophren verstanden haben wollen, beispielsweise den in clownesker Weise kostümierten und agierenden Arzt, den punkigen Pfleger oder die Mutter als ältliche Columbine mit strohgelber Perücke und voluminösen Chiffonfummel, die ihre Hutschachtel wie einen Hund an der Leine hinter sich herzieht. Das sind Äußerlichkeiten, die nicht das Spiel als Therapie zu verdeutlichen vermögen.
Das bewirkt die Musik von Jörn Arnecke. Sie vermittelt bewegend einen Eindruck von der Psyche des an Schizophrenie erkrankten Mannes, seinen Gefühlen und Empfindungen im Grenzbereich von Traum und Wirklichkeit. Arneckes Hoffnung, dass er dem Zuhörer ein Musikerlebnis vermittelt, hat sich erfüllt.
Ruth Eberhardt, Ruppiner Anzeiger, 1. Juni 2004
Im Mittelpunkt des dreiteiligen Werkes steht ein schizophrener Mann und die aus seiner Krankheit entstandene Ehekrise. Umgeben von schwarzen bekritzelten Wänden sitzt er, noch bevor das Spiel überhaupt beginnt, mit einer Rose in der Hand auf einem Podest, ein Bild, das am Ende wiederkehrt, wie auch die Anfangsmusik der drei Szenen. Es sind mal schrille Klangfetzen, mal leise Töne, Stimmen. Sie verfolgen den Kranken. Er kann ihnen nicht entfliehen. Mal ist er in der Nervenklinik, mal zu Hause.
Meik Schwalm verleiht diesem Mann in seiner Zwiespältigkeit bewegend Gestalt. Ihm nimmt man ab, dass er mit der Außenwelt nur kommunizieren kann, wenn er Helden aus seinen Lieblingsbüchern zitiert, also Homers Odysseus, Defoes Robinson und Cervantes‘ Don Quijote.
So beginnt das Stück mit einem Dialog zwischen ihm und der Frau, gesungen und gespielt von der Mezzosopranistin Franziska Kimme. Hinzu kommt die Mutter, Renate Dasch, als Sprecherin. Beobachtet werden alle von dem Arzt, dem japanischen Tenor Noriyuki Sawabu, und dem Pfleger, dem Bariton Jan Träbing. Wie in diesem ersten Teil "Odysseus" sind die Darsteller auch alle im zweiten Teil präsent, mehr oder weniger agierend. Im Teil drei — "Quijote" — kommt noch die Spanierin, gesungen von der Sopranistin Mirka Wagner, hinzu.
Es ist ein Spiel als Therapie, sagt die Frau zu Beginn. Doch das wird nicht klar und die Texte — ob gesprochen oder gesungen — sind leider über weite Strecken nicht zu verstehen.
Doch vieles wird durch Jörn Arneckes Musik deutlich, verständlich. Da dröhnen die Blechbläser, hämmert das Klavier, lassen klackende Klanghölzer die Vorstellung vom Nahen des einbeinigen Riesen aufkommen. Jörn Arneckes Musik verharmlost weder, noch bagatellisiert sie die mit der Krankheit einhergehende Dramatik. Dafür sorgt ihre Interpretation durch die Sänger und das Orchester, in dem sich junge Musiker, Berliner Spezialisten für Neue Musik, zum Ensemble Ki zusammengefunden haben. Hee-Chuhn Choi, dem die musikalische Leitung obliegt, inspiriert sowohl die Instrumentalisten wie die Solisten.
Abgesehen davon, dass die literarischen drei Helden nicht in Erscheinung treten, sondern nur ein Held, nämlich der Schizophrene, drängt sich bei der Regie (Johannes Erath) die Frage auf, ob die Autoren wirklich alle Figuren als mehr oder weniger schizophren verstanden haben wollen, beispielsweise den in clownesker Weise kostümierten und agierenden Arzt, den punkigen Pfleger oder die Mutter als ältliche Columbine mit strohgelber Perücke und voluminösen Chiffonfummel, die ihre Hutschachtel wie einen Hund an der Leine hinter sich herzieht. Das sind Äußerlichkeiten, die nicht das Spiel als Therapie zu verdeutlichen vermögen.
Das bewirkt die Musik von Jörn Arnecke. Sie vermittelt bewegend einen Eindruck von der Psyche des an Schizophrenie erkrankten Mannes, seinen Gefühlen und Empfindungen im Grenzbereich von Traum und Wirklichkeit. Arneckes Hoffnung, dass er dem Zuhörer ein Musikerlebnis vermittelt, hat sich erfüllt.
Ruth Eberhardt, Ruppiner Anzeiger, 1. Juni 2004
Seelenstimmen
Im Rheinsberger Schlosstheater wurde die Farce für Musik "Drei Helden" von Jörn Arnecke uraufgeführt
Im Rheinsberger Schlosstheater wurde die Farce für Musik "Drei Helden" von Jörn Arnecke uraufgeführt
Ein dunkler Raum. Schläge, leiser, aggressiver, dann ohrenbetäubend. Stimmen, die abnehmen, dann wie Sirenen das Ohr betören. Ein Mann bricht inmitten dieser akustischen Blackbox zusammen. Er hält die Spannung seiner verzerrten Wahrnehmung nicht aus und versucht mit Schreien dem Wahn zu entfliehen.
Der junge Mann hat eine Psychose erlitten und ist aus der Psychiatrie entlassen worden. Er ist Protagonist der Farce für Musik "Drei Helden" von Jörn Arnecke. Am Sonntagabend wurde das Werk im Rheinsberger Schlosstheater uraufgeführt. Etwa 160 Zuschauer erlebten ein spannendes, durch akustische Tricks nahezu erschreckendes Musiktheater.
Die Musiker unter Leitung von Hee-Chuhn Choi verteilen sich auch auf dem Rang des Schlosstheaters, der Raum wird dadurch für den Zuhörer Vakuum eines eigenen erlebten Wahns - Geräusche und Töne erreichen das Ohr, zu orten sind sie nicht.
Während der Pfingstwerkstatt für Neue Musik ging der diesjährige Kompositionsauftrag an den jungen Hamburger Komponisten Jörn Arnecke als Finalist des internationalen Musiktheaterwettbewerbs "Teatro Minimo". Arnecke war einer der letzten Schüler von Gérard Grisey am Pariser Conservatoire National Supérieur. Im Auftrag der Münchner Biennale, der Expo Hannover und des Festivals junger Künstler Bayreuth schrieb er Werke, für die er verschiedene Kompositionspreise gewann.
Für "Drei Helden" suchte er die Zusammenarbeit mit dem Librettisten Francis Hüsers. Das Material für das Opernlibretto bewegt sich zwischen Motiven dreier weltbedeutender Romane und den Personen des Musiktheaters. Zwischen Realität und Fiktion entwickelt sich mittels Themen der "Odyssee", des "Robinson Crusoe" und des "Don Quijote" die schizophrene Figur, namenlos, anonym.
Das Spiel der Zitate findet auch musikalisch statt und bildet die Erlebniswelt des psychisch Kranken ab. Schweißperlen sind flirrende Violinensaiten, Momente, in denen die Krankheit den Mann ergreift, adaptiert der Pianist mit Bassgewittern. Rhythmische Attacken werfen den Mann nieder. Seine Frau verlässt ihn. Sie treffen sich, zum ersten Mal können sie miteinander reden. Sie ist bereit für einen Neuanfang, er lehnt ab. Die Paukenwirbel werden leiser. "Wir sehen uns wieder", flüstert er. Der Raum ist dunkel.
Juliane Felsch, Märkische Allgemeine, 1. Juni 2004
Der junge Mann hat eine Psychose erlitten und ist aus der Psychiatrie entlassen worden. Er ist Protagonist der Farce für Musik "Drei Helden" von Jörn Arnecke. Am Sonntagabend wurde das Werk im Rheinsberger Schlosstheater uraufgeführt. Etwa 160 Zuschauer erlebten ein spannendes, durch akustische Tricks nahezu erschreckendes Musiktheater.
Die Musiker unter Leitung von Hee-Chuhn Choi verteilen sich auch auf dem Rang des Schlosstheaters, der Raum wird dadurch für den Zuhörer Vakuum eines eigenen erlebten Wahns - Geräusche und Töne erreichen das Ohr, zu orten sind sie nicht.
Während der Pfingstwerkstatt für Neue Musik ging der diesjährige Kompositionsauftrag an den jungen Hamburger Komponisten Jörn Arnecke als Finalist des internationalen Musiktheaterwettbewerbs "Teatro Minimo". Arnecke war einer der letzten Schüler von Gérard Grisey am Pariser Conservatoire National Supérieur. Im Auftrag der Münchner Biennale, der Expo Hannover und des Festivals junger Künstler Bayreuth schrieb er Werke, für die er verschiedene Kompositionspreise gewann.
Für "Drei Helden" suchte er die Zusammenarbeit mit dem Librettisten Francis Hüsers. Das Material für das Opernlibretto bewegt sich zwischen Motiven dreier weltbedeutender Romane und den Personen des Musiktheaters. Zwischen Realität und Fiktion entwickelt sich mittels Themen der "Odyssee", des "Robinson Crusoe" und des "Don Quijote" die schizophrene Figur, namenlos, anonym.
Das Spiel der Zitate findet auch musikalisch statt und bildet die Erlebniswelt des psychisch Kranken ab. Schweißperlen sind flirrende Violinensaiten, Momente, in denen die Krankheit den Mann ergreift, adaptiert der Pianist mit Bassgewittern. Rhythmische Attacken werfen den Mann nieder. Seine Frau verlässt ihn. Sie treffen sich, zum ersten Mal können sie miteinander reden. Sie ist bereit für einen Neuanfang, er lehnt ab. Die Paukenwirbel werden leiser. "Wir sehen uns wieder", flüstert er. Der Raum ist dunkel.
Juliane Felsch, Märkische Allgemeine, 1. Juni 2004
Musiktheater: Schizophrene Welt
Ploppen, schrillen, fauchen. Die Klangfetzen sind überall. Der Schizophrene kann sich ihnen nicht entziehen. Er nimmt sie als Stimmen im Kopf wahr, als Beruhigungsmittel oder Alarmsignal. Jörn Arneckes Farce für Musik "Drei Helden" verwandelt das Rheinsberger Schlosstheater in ein Irrenhaus. Vor einer wirr vollgekritzelten Tafel tummeln sich Gestalten in schwarz und pink.
Mit fulminanter Stimme und ausdrucksvoller Mimik spielt Meik Schwalm den Verrückten, der mit der Außenwelt nur kommunizieren kann, wenn er Helden aus seinen Lieblingsbüchern zitiert. Die Hauptrolle fällt dem Orchester zu. Die Musiker des aus Berliner Spezialisten für Neue Musik bestehenden Ensembles Ki umkreisen den Sänger. Hee-Chuhn Choi hält als Dirigent die Fäden zusammen.
Der Kranke presst die Hände auf die Ohren, wenn die Blechbläser einsetzen. Wie Stiche bohrt sich das Klaviergehämmer in sein Hirn. Beim Klackern der Klanghölzer fühlt er den einbeinigen Riesen nahen. Jörn Arneckes brüchige, pointillistische Momentmusik hat Suggestivkraft. Sie bewegt sich nicht nur am Libetto entlang. Sie greift ein, wird zum Motor.
2003 hat der Hamelner Komponist sein erstes abendfüllendes Musiktheaterstück für die Hamburgische Staatsoper geschrieben. "Drei Helden" entstand für die "Pfingstwerkstatt Neue Musik" der Rheinsberger Musikakademie. Die Institution, gerade mit dem "Kritikerpreis" ausgezeichnet, veranstaltet seit 1992 zu Pfingsten Konzerte und andere kulturelle Highlights. Diesmal widmet sie sich den Verbindungen zwischen Musik und Naturwissenschaften.
Die heutige Uraufführung ist der Höhepunkt der Pfingstwerkstatt. (...)
Martina Helmig, Berliner Morgenpost, 30. Mai 2004
Mit fulminanter Stimme und ausdrucksvoller Mimik spielt Meik Schwalm den Verrückten, der mit der Außenwelt nur kommunizieren kann, wenn er Helden aus seinen Lieblingsbüchern zitiert. Die Hauptrolle fällt dem Orchester zu. Die Musiker des aus Berliner Spezialisten für Neue Musik bestehenden Ensembles Ki umkreisen den Sänger. Hee-Chuhn Choi hält als Dirigent die Fäden zusammen.
Der Kranke presst die Hände auf die Ohren, wenn die Blechbläser einsetzen. Wie Stiche bohrt sich das Klaviergehämmer in sein Hirn. Beim Klackern der Klanghölzer fühlt er den einbeinigen Riesen nahen. Jörn Arneckes brüchige, pointillistische Momentmusik hat Suggestivkraft. Sie bewegt sich nicht nur am Libetto entlang. Sie greift ein, wird zum Motor.
2003 hat der Hamelner Komponist sein erstes abendfüllendes Musiktheaterstück für die Hamburgische Staatsoper geschrieben. "Drei Helden" entstand für die "Pfingstwerkstatt Neue Musik" der Rheinsberger Musikakademie. Die Institution, gerade mit dem "Kritikerpreis" ausgezeichnet, veranstaltet seit 1992 zu Pfingsten Konzerte und andere kulturelle Highlights. Diesmal widmet sie sich den Verbindungen zwischen Musik und Naturwissenschaften.
Die heutige Uraufführung ist der Höhepunkt der Pfingstwerkstatt. (...)
Martina Helmig, Berliner Morgenpost, 30. Mai 2004
Klinische Fallstudie statt Poesie
"Drei Helden" bei der Rheinsberger Pfingstwerkstatt uraufgeführt
"Drei Helden" bei der Rheinsberger Pfingstwerkstatt uraufgeführt
Kein Hahn krähte mehr nach "La Traviata", hätte Verdi die Geschichte der schwindsüchtigen Kurtisane nur als klinische Fallstudie auf die Bühne gebracht. Stattdessen erfand er eine bühnengerechte, fantasiereiche Umhüllung. Heutzutage benötigen manche moderne Komponisten "Schnittmengen" zwischen Musik und Naturwissenschaften als Inspiration für Klang. Diesem Thema widmete sich die diesjährige Pfingstwerkstatt der Neuen Musik an der Musikakademie Rheinsberg, für die der Hamelner Komponist Jörn Arnecke die Farce "Drei Helden" schrieb. Die Uraufführung im Schlosstheater fand das lebhafteste Publikumsecho.
Es sollte ein Blick in die Welt eines Schizophrenen werden. Dazu ist das erhöhte Spielpodest durch eine riesige, mit wirren Worten vollgekritzelte Schreibtafel (Bühnenbild: Heinrich Tröger) in ein imaginäres Irrenhaus verwandelt. Was da detailreich vorgeführt wird, hätte glatt von der Kassenärztlichen Vereinigung gesponsert sein können. Auch die Nebenfiguren sind nach dem Willen des fantasielosen Regie-Debütanten Johannes Erath irr und wirr: die Mutter (Renate Dasch), die ihre Hutschachtel wie einen Hund hinter sich her zieht; der behäbige Pfleger (Jan Träbing) als Punkverschnitt; der blasierte schwule Arzt (Noriyuki Sawabu); die aufgebrezelte Spanierin (Mirka Wagner); die Gattin (Franziska Kimme), die bis zum Schluss nichts von den Psychose-Gründen ihres Mannes begreift.
Von den plakativen Texten bleibt vieles unverständlich. Wie übrigens auch die Absicht dieser musiktheatralischen Farce. Mit prägnantem Bariton und staunenswert ausdruckvoller Mimik liefert Meik Schwalm die geradezu beklemmende Krankheitsstudie eines von Bewusstseinsspaltung Betroffenen. Mit seiner Umwelt verständigen kann er sich nur, wenn ihn die Seelenverwandtschaft zu Odysseus, Robinson und Don Quijote überkommt — sämtlich Papiertiger. Schade, dass dem spröden Klinikbericht eine poetische Geschichte fehlt.
Das Schwirren und Sirren, das Sausen und Brausen, die geräuschartigen und floskelhaften Klanggebilde empfindet der Patient wahrlich als Wahnvorstellungen. Wenn grell die Blechbläser einsetzen, hält er sich die Ohren zu. Klaviergehämmer bohrt sich ihm wie Sonden ins Gehirn. Beim Teck-Tock-Klopfen der Klanghölzer sieht er einbeinige Riesen tanzen. Fantastisch, wie Meik Schwalm auf diese tönenden Illustrierungen von Krankheitssymptomen reagiert. Die suggestive Medizinmusik mit ihren luftigen Tongespinsten und dramatischen Zuspitzungen wird vom Avantgarde-Ensemble "Ki" unter Leitung von Hee-Chuhn Choi bestechend präzise und klangvoll gespielt.
Nordkurier, 4. Juni 2004
Es sollte ein Blick in die Welt eines Schizophrenen werden. Dazu ist das erhöhte Spielpodest durch eine riesige, mit wirren Worten vollgekritzelte Schreibtafel (Bühnenbild: Heinrich Tröger) in ein imaginäres Irrenhaus verwandelt. Was da detailreich vorgeführt wird, hätte glatt von der Kassenärztlichen Vereinigung gesponsert sein können. Auch die Nebenfiguren sind nach dem Willen des fantasielosen Regie-Debütanten Johannes Erath irr und wirr: die Mutter (Renate Dasch), die ihre Hutschachtel wie einen Hund hinter sich her zieht; der behäbige Pfleger (Jan Träbing) als Punkverschnitt; der blasierte schwule Arzt (Noriyuki Sawabu); die aufgebrezelte Spanierin (Mirka Wagner); die Gattin (Franziska Kimme), die bis zum Schluss nichts von den Psychose-Gründen ihres Mannes begreift.
Von den plakativen Texten bleibt vieles unverständlich. Wie übrigens auch die Absicht dieser musiktheatralischen Farce. Mit prägnantem Bariton und staunenswert ausdruckvoller Mimik liefert Meik Schwalm die geradezu beklemmende Krankheitsstudie eines von Bewusstseinsspaltung Betroffenen. Mit seiner Umwelt verständigen kann er sich nur, wenn ihn die Seelenverwandtschaft zu Odysseus, Robinson und Don Quijote überkommt — sämtlich Papiertiger. Schade, dass dem spröden Klinikbericht eine poetische Geschichte fehlt.
Das Schwirren und Sirren, das Sausen und Brausen, die geräuschartigen und floskelhaften Klanggebilde empfindet der Patient wahrlich als Wahnvorstellungen. Wenn grell die Blechbläser einsetzen, hält er sich die Ohren zu. Klaviergehämmer bohrt sich ihm wie Sonden ins Gehirn. Beim Teck-Tock-Klopfen der Klanghölzer sieht er einbeinige Riesen tanzen. Fantastisch, wie Meik Schwalm auf diese tönenden Illustrierungen von Krankheitssymptomen reagiert. Die suggestive Medizinmusik mit ihren luftigen Tongespinsten und dramatischen Zuspitzungen wird vom Avantgarde-Ensemble "Ki" unter Leitung von Hee-Chuhn Choi bestechend präzise und klangvoll gespielt.
Nordkurier, 4. Juni 2004