Inschriften – Streichquartett Nr. 2 (2006)
Uraufführung (UA): Düsseldorf, Robert-Schumann-Saal, 23. Januar 2004;
Auftragswerk der Tonhalle Düsseldorf
Auryn Quartett:
Matthias Lingenfelder, 1. Violine
Jens Oppermann, 2. Violine
Stewart Eaton, Viola
Andreas Arndt, Violoncello
Dauer: ca. 20 Minuten
Das Werk ist bei den Internationalen Musikverlagen Hans Sikorski verlegt.
Auftragswerk der Tonhalle Düsseldorf
Auryn Quartett:
Matthias Lingenfelder, 1. Violine
Jens Oppermann, 2. Violine
Stewart Eaton, Viola
Andreas Arndt, Violoncello
Dauer: ca. 20 Minuten
Das Werk ist bei den Internationalen Musikverlagen Hans Sikorski verlegt.
Einführung
Naheliegendes muss man nicht lang erwähnen. Dass Inschriften mit Abschied und Tod verbunden sind. Dass man sie einritzt – man wird es hören.
Dass man sie schreibt (der Name besagt es) – man wird es sehen. Und sehr leise hören.
Das Verborgene jedoch verlangt nach Erklärung. Ein Stück im Mendelssohn-Zyklus: Mir kam spontan die Idee, mich nicht nur musikalisch vor Felix zu verbeugen, sondern auch vor Fanny. Und so berühren meine 18-minütigen "Inschriften" in gleicher Weise Felix‘ Streichquartett Es-Dur op. 12 (1829) und Fannys Quartett aus dem Jahr 1834; dieses steht in derselben Tonart und weist viele Bezüge auf – ein echtes "Schwesternwerk".
Ich habe nur Spuren gelegt, die Zitate sind eingewoben in meine Musik. Lediglich zwei Takte sind komplett vierstimmig aus den Quartetten entnommen, ein Takt von Felix und ein Takt von Fanny – sie stehen an zentraler Stelle direkt nebeneinander.
Die Zitate bleiben im Hintergrund: Sie sind vorhanden, lösen sogar die Prozesse des Stückes aus, aber sie wirken im Verborgenen. Der Hörer braucht nicht enttäuscht zu sein, wenn er nichts von Felix oder Fanny "wiedererkennt".
Das Rätselhafte ist meist interessanter als das Eindeutige. Was ist neu? Was ist vergangen?
Alles ist vergänglich – sagen uns Inschriften.
Jörn Arnecke, 2003
Dass man sie schreibt (der Name besagt es) – man wird es sehen. Und sehr leise hören.
Das Verborgene jedoch verlangt nach Erklärung. Ein Stück im Mendelssohn-Zyklus: Mir kam spontan die Idee, mich nicht nur musikalisch vor Felix zu verbeugen, sondern auch vor Fanny. Und so berühren meine 18-minütigen "Inschriften" in gleicher Weise Felix‘ Streichquartett Es-Dur op. 12 (1829) und Fannys Quartett aus dem Jahr 1834; dieses steht in derselben Tonart und weist viele Bezüge auf – ein echtes "Schwesternwerk".
Ich habe nur Spuren gelegt, die Zitate sind eingewoben in meine Musik. Lediglich zwei Takte sind komplett vierstimmig aus den Quartetten entnommen, ein Takt von Felix und ein Takt von Fanny – sie stehen an zentraler Stelle direkt nebeneinander.
Die Zitate bleiben im Hintergrund: Sie sind vorhanden, lösen sogar die Prozesse des Stückes aus, aber sie wirken im Verborgenen. Der Hörer braucht nicht enttäuscht zu sein, wenn er nichts von Felix oder Fanny "wiedererkennt".
Das Rätselhafte ist meist interessanter als das Eindeutige. Was ist neu? Was ist vergangen?
Alles ist vergänglich – sagen uns Inschriften.
Jörn Arnecke, 2003
Rezensionen
Unterschiedlich getickt
Bach-Preis-Stipendiaten in Freier Akademie
Bach-Preis-Stipendiaten in Freier Akademie
Unterschiedlicher könnte ihre Musik nicht sein. Und doch ist beider Motivation eine ähnliche: der Versuch, Klänge und Töne bis in den rätselhaften Ursprung hinein zu erkunden. Der eine - Sascha Lemke - manchmal mit mathematischer Genauigkeit und Computer, der andere - Jörn Arnecke - aus einem emotionalen Grundimpuls heraus mit Bleistift. Die Bach-Preis-Stipendiaten gaben in der Freien Akademie ein lebhaftes Beispiel dafür, wie spannend die Musik der heutigen Neutöner ist. (...)
Absolut überzeugend war auch Arneckes Beitrag zur Gattung des Streichquartetts. Mit seinem ersten Quartett "In Stille" unternahm er einen stillschweigenden Diskurs durch die Klangwelten der vier Streicher. Sein zweites Quartett "Inschriften", wo er Musik sichtbar macht, ist eine pfiffige Auseinandersetzung mit der Tradition, ohne plakativ zu sein - auch Neues ist vergänglich.
bbr, Hamburger Abendblatt, 28. Januar 2004
Absolut überzeugend war auch Arneckes Beitrag zur Gattung des Streichquartetts. Mit seinem ersten Quartett "In Stille" unternahm er einen stillschweigenden Diskurs durch die Klangwelten der vier Streicher. Sein zweites Quartett "Inschriften", wo er Musik sichtbar macht, ist eine pfiffige Auseinandersetzung mit der Tradition, ohne plakativ zu sein - auch Neues ist vergänglich.
bbr, Hamburger Abendblatt, 28. Januar 2004
Das Auryn-Quartett im Schumann-Saal / Ovationen, mit Mozart belohnt
Bleistifte mit Saitensprüngen
Bleistifte mit Saitensprüngen
Nach 17 Minuten - inzwischen sind 345 Takte gespielt - kündigt sich Unerhörtes an. Die vier Herren des Auryn-Streichquartetts nehmen nacheinander ein artfremdes Spielgerät zur Hand, das sich als Bleistift entpuppt. Mit dessen Längsseite klopft zuerst Stewart Eaton seiner Bratsche eine absteigende Tonfolge ab, der sich Jens Oppermann an der zweiten und Matthias Lingenfelder an der ersten Geige anschließen, bis Andreas Arndt am Violoncello die Bleistiftparade vervollständigt.
Diese Idee hatte der 1973 geborene Komponist Jörn Arnecke. Als Auftragswerk der Düsseldorfer Tonhalle schrieb er für deren Mendelssohn-Zyklus sein Streichquartett mit dem Titel "Inschriften". Was es mit diesen auf sich hat, erfahren wir von Takt 378 an. Da begnügen sich die Quartettisten nicht mehr mit den Saitensprüngen ihrer Bleistifte, drehen sie um 90 Grad und reiben mit der stumpfen Kopfseite, in Reihe 9 soeben noch erahnbar, um die F-Löcher ihres Instrumentenkorpus herum.
Das soll eine doppelte Verbeugung vor Felix Mendelssohn Bartholdy und seiner Schwester Fanny sein, zudem malen die vier Herren mit dem Bleistift ein unsichtbares M auf ihre Instrumente. Das ist ein albernes, zumindest unverständliches Happening, aber zur Versöhnung zaubert das Violoncello noch eine mollgetönte Linie hinzu, und alle Instrumente setzen auf gewöhnliche Spielweise einen starken Schlussakkord.
Bis zur Bleistiftparade bietet das Werk mit sanften Hinweisen auf zwei Mendelssohn-Quartette von Felix (op. 12) und Fanny (1834) eine spannende Verlaufsform. Langsame Einleitung, dann schnelle Bewegungsformen der unterschiedlich rhythmisierten Instrumente bis hin zu einer erregten Klangfläche, variierte Reprise des Anfangs mit manchmal tonal geprägten Rufen wie aus der Ferne. Aber diese werden verzerrt durch Flageolett-Glissandi, Collegno-Effekte, geisterhafte Wischer mit dem Springbogen und wahnwitzig gespannte Tonfolgen. Das Ganze: eine Beschwörung aus dem Geist der Moderne, um einen Felix, eine Fanny von innen bittend. Doch die Geschwister lassen sich nicht aus den Schall-Löchern herausquetschen.
Das Auryn Quartett spielte die ihm gewidmeten "Inschriften" mit einem Maximum an Hingabe und Konzentration. (...)
Ulrich Schreiber, Rheinische Post, 26. Januar 2004
Diese Idee hatte der 1973 geborene Komponist Jörn Arnecke. Als Auftragswerk der Düsseldorfer Tonhalle schrieb er für deren Mendelssohn-Zyklus sein Streichquartett mit dem Titel "Inschriften". Was es mit diesen auf sich hat, erfahren wir von Takt 378 an. Da begnügen sich die Quartettisten nicht mehr mit den Saitensprüngen ihrer Bleistifte, drehen sie um 90 Grad und reiben mit der stumpfen Kopfseite, in Reihe 9 soeben noch erahnbar, um die F-Löcher ihres Instrumentenkorpus herum.
Das soll eine doppelte Verbeugung vor Felix Mendelssohn Bartholdy und seiner Schwester Fanny sein, zudem malen die vier Herren mit dem Bleistift ein unsichtbares M auf ihre Instrumente. Das ist ein albernes, zumindest unverständliches Happening, aber zur Versöhnung zaubert das Violoncello noch eine mollgetönte Linie hinzu, und alle Instrumente setzen auf gewöhnliche Spielweise einen starken Schlussakkord.
Bis zur Bleistiftparade bietet das Werk mit sanften Hinweisen auf zwei Mendelssohn-Quartette von Felix (op. 12) und Fanny (1834) eine spannende Verlaufsform. Langsame Einleitung, dann schnelle Bewegungsformen der unterschiedlich rhythmisierten Instrumente bis hin zu einer erregten Klangfläche, variierte Reprise des Anfangs mit manchmal tonal geprägten Rufen wie aus der Ferne. Aber diese werden verzerrt durch Flageolett-Glissandi, Collegno-Effekte, geisterhafte Wischer mit dem Springbogen und wahnwitzig gespannte Tonfolgen. Das Ganze: eine Beschwörung aus dem Geist der Moderne, um einen Felix, eine Fanny von innen bittend. Doch die Geschwister lassen sich nicht aus den Schall-Löchern herausquetschen.
Das Auryn Quartett spielte die ihm gewidmeten "Inschriften" mit einem Maximum an Hingabe und Konzentration. (...)
Ulrich Schreiber, Rheinische Post, 26. Januar 2004
Eine Verbeugung vor Mendelssohn
Uraufführung von Jörn Arneckes Streichquartett "Inschriften" im Robert-Schumann-Saal
Uraufführung von Jörn Arneckes Streichquartett "Inschriften" im Robert-Schumann-Saal
Mit einer Uraufführung setzte das Auryn Quartett seinen Mendelssohn-Zyklus im Robert-Schumann-Saal fort. Im Auftrag der Tonhalle hatte der 30-jährige Komponist Jörn Arnecke, der schon zahlreiche Preise gewann und in Hamburg zwei Lehraufträge innehat, für den Mendelssohn-Zyklus sein 2. Streichquartett mit dem Titel "Inschriften" komponiert. Der Schüler von Gérard Grisey machte hier, wie er sagte, "eine Verbeugung vor Felix Mendelssohn und seiner Schwester Fanny", bei der sich "Spuren der Erinnerung mit eigenen Gedanken verbinden".
Naturgemäß manifestieren sich solche Erinnerungsspuren in Zitaten, und so blendet er hin und wieder Musik von Mendelssohn ein, mal als direktes Zitat, mal als zarte Anspielung, in der nur Teilelemente mit Eigenem verbunden sind. Diese verstärkt seit den 70er Jahren in der Neuen Musik auftauchende Intertextualität kann zu reizvollen Spannungsverhältnissen zwischen Altem und Neuem führen. Da Arneckes eigene Tonsprache in diesem Stück aber keine so starke Eloquenz besitzt, fehlt hier den Zitaten ein adäquates Gegengewicht. Arneckes "Inschriften" stecken voller interessanter Ideen, zu nennen wären etwa die raffinierten Übergänge zwischen den Sphären der Vergangenheit und Gegenwart. Doch gelingt es ihm kaum einen neuen Ausdruck zu schaffen, der wahrhaft berührt.
Das Auryn-Quartett musizierte hoch engagiert und gewissenhaft. (...)
Lars Wallerang, Westdeutsche Zeitung, 26. Januar 2004
Naturgemäß manifestieren sich solche Erinnerungsspuren in Zitaten, und so blendet er hin und wieder Musik von Mendelssohn ein, mal als direktes Zitat, mal als zarte Anspielung, in der nur Teilelemente mit Eigenem verbunden sind. Diese verstärkt seit den 70er Jahren in der Neuen Musik auftauchende Intertextualität kann zu reizvollen Spannungsverhältnissen zwischen Altem und Neuem führen. Da Arneckes eigene Tonsprache in diesem Stück aber keine so starke Eloquenz besitzt, fehlt hier den Zitaten ein adäquates Gegengewicht. Arneckes "Inschriften" stecken voller interessanter Ideen, zu nennen wären etwa die raffinierten Übergänge zwischen den Sphären der Vergangenheit und Gegenwart. Doch gelingt es ihm kaum einen neuen Ausdruck zu schaffen, der wahrhaft berührt.
Das Auryn-Quartett musizierte hoch engagiert und gewissenhaft. (...)
Lars Wallerang, Westdeutsche Zeitung, 26. Januar 2004