Sonate auf G (1993/94)
Uraufführung (UA): Aerzen, Domänenburg, 19. November 1994;
Wolfgang Kohlhaußen (Violine)
Besetzung: Violine solo
Dauer: 17 Minuten
Wolfgang Kohlhaußen (Violine)
Besetzung: Violine solo
Dauer: 17 Minuten
Einführung
Erläuterungen zur "Sonate auf G"
Ein Titel, vertraut und doch ungewohnt - die "Sonate auf G" verwendet ein klassisches Muster und versucht, es neu zu formen, ihm andere Klangbilder abzugewinnen. Die Gliederung in vier Sätze, im ersten sogar das Bauprinzip der Sonatenhauptsatzform (Vorstellung, Störung, Wiederkehr) - alles bekannt, oft gehört. Was kann einen Komponisten daran noch reizen?
Auch und gerade moderne Musik muß sich dem Hörer erschließen. Formmodelle helfen dabei, setzen Hinweistafeln in einer Klanglichkeit, die sich von den ausgetretenen Pfaden des funktionalen Harmonieverständnisses entfernt.
"Auf G" besitzt zwei Bedeutungen: G ist zum einen der Zentralton, der Ruhepunkt des Werkes. Der erste Satz beginnt mit dieser Note, der vierte Satz endet so. Aber auch eine andere Bedeutung schwingt mit: Die Sonate baut sich "auf G" auf, also auf dem tiefsten Ton der Violine. Von dort aus werden verschiedene Spannungsverhältnisse, verschiedene Tonschritte ergründet.
Der erste Satz stellt zunächst das Tonmaterial vor, die Ganztonleiter. Aus ihr entwickelt sich das Hauptthema. Dieser ruhigen, gesanglichen Linie wird bald das Seitenthema gegenübergestellt - "wild" zu spielen, mit waghalsigen Sprüngen und Doppelgriffen. Der Gegensatz zwischen beiden Gefühlszuständen durchzieht den Satz.
Ihm folgt ein tänzerischer zweiter, der einen anderen Tonschritt motivisch ausarbeitet: den Halbton. In einer merkwürdigen, zusammengesetzten Taktart fügt sich daraus eine Melodie, aber immer schält sich als Kern der Halbtonschritt in verschiedenen Lagen der Geige heraus. Die sehr hohen, beinahe pfeifenden Töne werden dabei durch künstliche Flageoletts erzeugt.
Der dritte Satz lehnt sich an die barocke Sarabande an, ein Dreier-Rhythmus mit schwerer zweiter Taktzeit. Die Quarte bildet die melodische und auch harmonische Grundlage des Satzes, so daß ein altertümliches, etwas schwermütiges Klangbild entsteht.
Ganzton, Halbton, Quarte - was noch fehlt (von Umkehrungen einmal abgesehen), ist die Terz. Im Schlußsatz begegnet sie dem Hörer in zwei Formen: als Abstand zweier aufeinander folgender Töne und als Rahmen, der ausgefüllt wird. Die schnellen, virtuosen Läufe, die den Geiger bis in die extreme Höhe treiben, werden unterbrochen von kurzen Melodiebögen und von klopfenden Einwürfen. Dieser außerordentlich schwierige Satz - für den Zuhörer sichtbar und spürbar - sorgt für ein furioses Finale der Sonate.
Jörn Arnecke, 1994
Ein Titel, vertraut und doch ungewohnt - die "Sonate auf G" verwendet ein klassisches Muster und versucht, es neu zu formen, ihm andere Klangbilder abzugewinnen. Die Gliederung in vier Sätze, im ersten sogar das Bauprinzip der Sonatenhauptsatzform (Vorstellung, Störung, Wiederkehr) - alles bekannt, oft gehört. Was kann einen Komponisten daran noch reizen?
Auch und gerade moderne Musik muß sich dem Hörer erschließen. Formmodelle helfen dabei, setzen Hinweistafeln in einer Klanglichkeit, die sich von den ausgetretenen Pfaden des funktionalen Harmonieverständnisses entfernt.
"Auf G" besitzt zwei Bedeutungen: G ist zum einen der Zentralton, der Ruhepunkt des Werkes. Der erste Satz beginnt mit dieser Note, der vierte Satz endet so. Aber auch eine andere Bedeutung schwingt mit: Die Sonate baut sich "auf G" auf, also auf dem tiefsten Ton der Violine. Von dort aus werden verschiedene Spannungsverhältnisse, verschiedene Tonschritte ergründet.
Der erste Satz stellt zunächst das Tonmaterial vor, die Ganztonleiter. Aus ihr entwickelt sich das Hauptthema. Dieser ruhigen, gesanglichen Linie wird bald das Seitenthema gegenübergestellt - "wild" zu spielen, mit waghalsigen Sprüngen und Doppelgriffen. Der Gegensatz zwischen beiden Gefühlszuständen durchzieht den Satz.
Ihm folgt ein tänzerischer zweiter, der einen anderen Tonschritt motivisch ausarbeitet: den Halbton. In einer merkwürdigen, zusammengesetzten Taktart fügt sich daraus eine Melodie, aber immer schält sich als Kern der Halbtonschritt in verschiedenen Lagen der Geige heraus. Die sehr hohen, beinahe pfeifenden Töne werden dabei durch künstliche Flageoletts erzeugt.
Der dritte Satz lehnt sich an die barocke Sarabande an, ein Dreier-Rhythmus mit schwerer zweiter Taktzeit. Die Quarte bildet die melodische und auch harmonische Grundlage des Satzes, so daß ein altertümliches, etwas schwermütiges Klangbild entsteht.
Ganzton, Halbton, Quarte - was noch fehlt (von Umkehrungen einmal abgesehen), ist die Terz. Im Schlußsatz begegnet sie dem Hörer in zwei Formen: als Abstand zweier aufeinander folgender Töne und als Rahmen, der ausgefüllt wird. Die schnellen, virtuosen Läufe, die den Geiger bis in die extreme Höhe treiben, werden unterbrochen von kurzen Melodiebögen und von klopfenden Einwürfen. Dieser außerordentlich schwierige Satz - für den Zuhörer sichtbar und spürbar - sorgt für ein furioses Finale der Sonate.
Jörn Arnecke, 1994
Rezensionen
Arnecke-Uraufführung in Aerzens Domänenburg
Er will viel, sehr viel, zuviel? Die Rede ist von Jörn Arnecke, Hamelns aufstrebendem Kompositionstalent. Seine "Sonate auf G" stand im Mittelpunkt des letzten Landkreiskonzertes in der Domänenburg Aerzen.
Eine Erstaufführung! Dazu noch die eines jungen Mannes, der gerade den Anlauf genommen hat, sich ein handfestes Handwerkszeug in der Komposition anzueignen. Überrascht, ja verwundert war man schon.
Zunächst wünschte sich der sehr sympathisch und gelöst wirkende Komponist am Ende seiner Einführung in die gestalterischen Strukturen, das Werk möge den Hörern gefallen. Kenner der zeitgenössischen Musikszene wissen, daß gerade junge Künstler eine Identifikation mit ihrem Kind begreiflich machen wollen. (…)
Wolfgang Kohlhaußen, der Erstling ist ihm gewidmet, nahm sich des Werkes verdienstvoll an. Bei seinem Ton und Strich empfindet er Vorliebe für das Gesangliche, für die fließenden Strukturen, bei denen mehr die unveränderte Reihung zu bemerken war als innere Entwicklung. (…)
Winfried Kühne, Deister- und Weserzeitung, 21. November 1994
Eine Erstaufführung! Dazu noch die eines jungen Mannes, der gerade den Anlauf genommen hat, sich ein handfestes Handwerkszeug in der Komposition anzueignen. Überrascht, ja verwundert war man schon.
Zunächst wünschte sich der sehr sympathisch und gelöst wirkende Komponist am Ende seiner Einführung in die gestalterischen Strukturen, das Werk möge den Hörern gefallen. Kenner der zeitgenössischen Musikszene wissen, daß gerade junge Künstler eine Identifikation mit ihrem Kind begreiflich machen wollen. (…)
Wolfgang Kohlhaußen, der Erstling ist ihm gewidmet, nahm sich des Werkes verdienstvoll an. Bei seinem Ton und Strich empfindet er Vorliebe für das Gesangliche, für die fließenden Strukturen, bei denen mehr die unveränderte Reihung zu bemerken war als innere Entwicklung. (…)
Winfried Kühne, Deister- und Weserzeitung, 21. November 1994