Wolf-Ferrari, "Die neugierigen Frauen" (2000/01)
Uraufführung (UA): Zürich, Opernhaus (Studiobühne), 6. April 2001
Auftrag des Internationalen Opernstudios Zürich
Inszenierung: Ulrich Peter, musikalische Leitung: Marie-Jeanne Dufour
Besetzung des Orchesters:
Fl - Ob - Kl - Fg; Hr;
Hrf; Pk / Sz;
2 Vl - Va - Vc - Kb
Dauer: abendfüllend
Auftrag des Internationalen Opernstudios Zürich
Inszenierung: Ulrich Peter, musikalische Leitung: Marie-Jeanne Dufour
Besetzung des Orchesters:
Fl - Ob - Kl - Fg; Hr;
Hrf; Pk / Sz;
2 Vl - Va - Vc - Kb
Dauer: abendfüllend
Einführung
Kleinigkeiten, die entscheiden
Anmerkungen zur Kammerfassung von "Die neugierigen Frauen"
Am besten ist die Bearbeitung, wenn niemand merkt, dass es eine Bearbeitung ist.
Und das einzusehen, fällt einem Komponisten schwer. Denn Komponisten sind es gewohnt, Aufmerksamkeit zu erregen. Sie nennen ihre Arbeiten Werke. Sie denken sich etwas aus, und andere müssen es spielen. Sie schreiben Musik und erwarten, dass man sich das auch noch anhört. Egozentrik pur.
Eine Bearbeitung bietet die wunderbare Gelegenheit, davon Abstand zu nehmen. Es geht um das Werk, das ein anderer vorgelegt hat. Es geht darum, die Schönheiten dieses Werkes zu erhalten, ja sie mit einer kleineren Besetzung noch sorgfältiger herauszuformen. Der Bearbeiter taucht in die Welt eines anderen ein und lernt dessen Stil genau kennen. Als ich mir Wolf-Ferraris Partitur "Die neugierigen Frauen" genauer anschaute, war ich überrascht von der Schlichtheit, aber auch der Klarheit der Instrumentation. Die Orchesterbesetzung könnte einer Mozart-Oper entstammen - sieht man davon ab, dass Wolf-Ferrari auch eine Harfe verwendet.
Dieses transparente Klangbild wollte ich unbedingt erhalten. Ich entschloss mich, die Holzbläser nicht doppelt zu besetzen wie Wolf-Ferrari, sondern einfach. Auf die Trompeten verzichtete ich ganz. Und auch die Streicher spielen solistisch: Gerade sie sind in dieser Besetzung stark herausgefordert, sie müssen ständig präsent sein - dann erst entsteht eine Klangbalance mit den Bläsern und der Eindruck einer großen, durchsichtigen Kammermusik.
So weit zum Grundsätzlichen. Doch der Klangteufel steckt im Detail. Wenn die Geigenpartien geteilt sind (wie am Ende des ersten Aufzugs), müssen Bläser unauffällig in den Satz integriert werden. Möglichst nicht die Oboe, sie wäre zu durchdringend. Auf keinen Fall das Fagott, es wäre zu kernig und überhaupt zu tief. Zwei Instrumente werden gebraucht, und nur Flöte und Klarinette eignen sich. Aber was wird dann aus dem Piccoloflöten-Solo, das Wolf-Ferrari kurz darauf vorschreibt - wenn die Flöte schon eine Geigenstimme übernehmen soll?
Die Hörer werden diese Probleme nicht wahrnehmen - sofern der Bearbeiter sensibel eingegriffen hat. Wenn die kompositorischen Strukturen schon gesetzt sind, muss er sich ganz der Kunst des Instrumentierens widmen. Bei der kleinen Besetzung muss er die Instrumente noch bewusster verwenden, noch ökonomischer mit seinen Mitteln umgehen.
Das alles schärft die eigene Klangvorstellung. Man lernt, sich an Details zu erfreuen: an der einfachen Lösung für eine komplizierte Stelle; an der Genugtuung, ab und an eine raffinierte Instrumentation zu finden, die so nicht in der Partitur stand. Es sind Kleinigkeiten, gewiss; aber diese Kleinigkeiten machen es aus, dass der Hörer nicht nur denkt: Hier fehlt ja nichts. Sondern auch erfährt: Es ist eine andere, eine neue Fassung, die neben dem Original bestehen soll. Die sich ihm konzentriert widmet und seine Konturen schärft. Die den Sängern mehr Freiraum gewährt, weil sie ihnen eine luftigere Begleitung verschafft - und sie trotzdem trägt.
Komponisten schreiben im Hauptberuf Stücke und keine Bearbeitungen. Das ist bei mir nicht anders, deshalb sei der Hinweis erlaubt, dass am 2. Juli meine Kurzoper "Wieder sehen" am Zürcher Opernhaus aufgeführt wird. Da gibt es dann keine Ausreden mehr. Denn auch das ist das Schöne an Bearbeitungen: Komponiert hat es im Zweifelsfall dann doch der andere...
Jörn Arnecke, 2001
Anmerkungen zur Kammerfassung von "Die neugierigen Frauen"
Am besten ist die Bearbeitung, wenn niemand merkt, dass es eine Bearbeitung ist.
Und das einzusehen, fällt einem Komponisten schwer. Denn Komponisten sind es gewohnt, Aufmerksamkeit zu erregen. Sie nennen ihre Arbeiten Werke. Sie denken sich etwas aus, und andere müssen es spielen. Sie schreiben Musik und erwarten, dass man sich das auch noch anhört. Egozentrik pur.
Eine Bearbeitung bietet die wunderbare Gelegenheit, davon Abstand zu nehmen. Es geht um das Werk, das ein anderer vorgelegt hat. Es geht darum, die Schönheiten dieses Werkes zu erhalten, ja sie mit einer kleineren Besetzung noch sorgfältiger herauszuformen. Der Bearbeiter taucht in die Welt eines anderen ein und lernt dessen Stil genau kennen. Als ich mir Wolf-Ferraris Partitur "Die neugierigen Frauen" genauer anschaute, war ich überrascht von der Schlichtheit, aber auch der Klarheit der Instrumentation. Die Orchesterbesetzung könnte einer Mozart-Oper entstammen - sieht man davon ab, dass Wolf-Ferrari auch eine Harfe verwendet.
Dieses transparente Klangbild wollte ich unbedingt erhalten. Ich entschloss mich, die Holzbläser nicht doppelt zu besetzen wie Wolf-Ferrari, sondern einfach. Auf die Trompeten verzichtete ich ganz. Und auch die Streicher spielen solistisch: Gerade sie sind in dieser Besetzung stark herausgefordert, sie müssen ständig präsent sein - dann erst entsteht eine Klangbalance mit den Bläsern und der Eindruck einer großen, durchsichtigen Kammermusik.
So weit zum Grundsätzlichen. Doch der Klangteufel steckt im Detail. Wenn die Geigenpartien geteilt sind (wie am Ende des ersten Aufzugs), müssen Bläser unauffällig in den Satz integriert werden. Möglichst nicht die Oboe, sie wäre zu durchdringend. Auf keinen Fall das Fagott, es wäre zu kernig und überhaupt zu tief. Zwei Instrumente werden gebraucht, und nur Flöte und Klarinette eignen sich. Aber was wird dann aus dem Piccoloflöten-Solo, das Wolf-Ferrari kurz darauf vorschreibt - wenn die Flöte schon eine Geigenstimme übernehmen soll?
Die Hörer werden diese Probleme nicht wahrnehmen - sofern der Bearbeiter sensibel eingegriffen hat. Wenn die kompositorischen Strukturen schon gesetzt sind, muss er sich ganz der Kunst des Instrumentierens widmen. Bei der kleinen Besetzung muss er die Instrumente noch bewusster verwenden, noch ökonomischer mit seinen Mitteln umgehen.
Das alles schärft die eigene Klangvorstellung. Man lernt, sich an Details zu erfreuen: an der einfachen Lösung für eine komplizierte Stelle; an der Genugtuung, ab und an eine raffinierte Instrumentation zu finden, die so nicht in der Partitur stand. Es sind Kleinigkeiten, gewiss; aber diese Kleinigkeiten machen es aus, dass der Hörer nicht nur denkt: Hier fehlt ja nichts. Sondern auch erfährt: Es ist eine andere, eine neue Fassung, die neben dem Original bestehen soll. Die sich ihm konzentriert widmet und seine Konturen schärft. Die den Sängern mehr Freiraum gewährt, weil sie ihnen eine luftigere Begleitung verschafft - und sie trotzdem trägt.
Komponisten schreiben im Hauptberuf Stücke und keine Bearbeitungen. Das ist bei mir nicht anders, deshalb sei der Hinweis erlaubt, dass am 2. Juli meine Kurzoper "Wieder sehen" am Zürcher Opernhaus aufgeführt wird. Da gibt es dann keine Ausreden mehr. Denn auch das ist das Schöne an Bearbeitungen: Komponiert hat es im Zweifelsfall dann doch der andere...
Jörn Arnecke, 2001
Rezensionen
Willkommen im Klub, meine Damen
Zürich: "Die neugierigen Frauen" von Ermanno Wolf-Ferrari auf der Studiobühne des Opernhauses
Zürich: "Die neugierigen Frauen" von Ermanno Wolf-Ferrari auf der Studiobühne des Opernhauses
Mit einem ansprechenden Witz, wie man ihn von "IOS"-Produktionen her gewohnt ist, hat das Internationale Opernstudio Zürich "Die neugierigen Frauen", musikalisch verschlankt und szenisch aufdatiert, auf die Bühne gebracht.
(…) In der Musik von Wolf-Ferrari gibt es hier Hochgeschwindigkeitsparlandi wie bei einer Buffo-Oper, der der Motor frisiert worden ist. Lautmalerisch beginnt es da zu gackern wie von Hühnern. Dort erinnert ein zum Quartett sich weitendes Terzett, mag auch italienisches Melos strömen, plötzlich an Richard Wagner. Im Allgemeinen sind das freilich Klänge, die ohne Sensationen, unaufgeregt und leicht, dabei geschmackvoll, ohne zum platten Stilplagiat zu verkommen, einen frühklassisch-klassischen Stil beerben. Wobei zu vermelden ist, dass auf dem Dirigierpult nicht die originale Partitur liegt, sondern eine eigens vom IOS in Auftrag gegebene Kammerfassung von Jörn Arnecke, die den Besetzungsapparat reduziert etwa durch durch einfach besetztes Holz und gleichfalls solistische Streicher. Das Kammerorchester "Donne curiose" spielte am Freitag unter Marie-Jeanne Dufour, die seit Beginn der Saison 2000/2001 als musikalische Leiterin des IOS in Zürich wirkt, frisch und auf insgesamt erfreulichem Niveau.
Torbjörn Bergflödt, Zürichsee Zeitung, 9. April 2001
(…) In der Musik von Wolf-Ferrari gibt es hier Hochgeschwindigkeitsparlandi wie bei einer Buffo-Oper, der der Motor frisiert worden ist. Lautmalerisch beginnt es da zu gackern wie von Hühnern. Dort erinnert ein zum Quartett sich weitendes Terzett, mag auch italienisches Melos strömen, plötzlich an Richard Wagner. Im Allgemeinen sind das freilich Klänge, die ohne Sensationen, unaufgeregt und leicht, dabei geschmackvoll, ohne zum platten Stilplagiat zu verkommen, einen frühklassisch-klassischen Stil beerben. Wobei zu vermelden ist, dass auf dem Dirigierpult nicht die originale Partitur liegt, sondern eine eigens vom IOS in Auftrag gegebene Kammerfassung von Jörn Arnecke, die den Besetzungsapparat reduziert etwa durch durch einfach besetztes Holz und gleichfalls solistische Streicher. Das Kammerorchester "Donne curiose" spielte am Freitag unter Marie-Jeanne Dufour, die seit Beginn der Saison 2000/2001 als musikalische Leiterin des IOS in Zürich wirkt, frisch und auf insgesamt erfreulichem Niveau.
Torbjörn Bergflödt, Zürichsee Zeitung, 9. April 2001
Musikalischer Spass
Die jährliche Produktion des Internationalen Opernstudios IOS auf der Studiobühne des Opernhauses bietet mit Ermanno Wolf-Ferraris "Die neugierigen Frauen" nach Goldinis "Le donne curiose" einen leichten Opernspass, der auch seltenen Operngängern empfohlen werden kann. (…)
Marie-Jeanne Dufour, die neue musikalische Leiterin des IOS, gibt einen fulminanten Einstand. Sie leitet das lediglich zwölfköpfige Kammerorchester "Donne Curiose" äusserst spritzig und leichtet durch die eigens angefertigte "Kammerfassung" von Jörn Arnecke der ursprünglich für grosses Orchester gesetzten Oper.
Tobias Gerosa, P.S., 12. April 2001
Marie-Jeanne Dufour, die neue musikalische Leiterin des IOS, gibt einen fulminanten Einstand. Sie leitet das lediglich zwölfköpfige Kammerorchester "Donne Curiose" äusserst spritzig und leichtet durch die eigens angefertigte "Kammerfassung" von Jörn Arnecke der ursprünglich für grosses Orchester gesetzten Oper.
Tobias Gerosa, P.S., 12. April 2001