Folie (2000)
Uraufführung (UA): Bayreuth, Stadthalle, 26. August 2000;
Symphonieorchester des Festivals junger Künstler, Ltg.: Ferenc Gábor
Auftrag des Festivals junger Künstler Bayreuth
Besetzung:
3 Fl (3. Picc und Afl) - 3 Ob (3. auch EH) - 3 Kl (3. auch Bkl) - 3 Fg (3. Kfg);
4 Hr - 2 Trp - 2 Pos;
Hrf; Pk - Sz (2 Sp.)
16 (12) Vl I - 14 (10) Vl II - 12 (8) Va - 10 (8) Vc - 8 (6) Kb
Dauer: 13 Minuten
Das Werk ist bei den Internationalen Musikverlagen Hans Sikorski verlegt.
Symphonieorchester des Festivals junger Künstler, Ltg.: Ferenc Gábor
Auftrag des Festivals junger Künstler Bayreuth
Besetzung:
3 Fl (3. Picc und Afl) - 3 Ob (3. auch EH) - 3 Kl (3. auch Bkl) - 3 Fg (3. Kfg);
4 Hr - 2 Trp - 2 Pos;
Hrf; Pk - Sz (2 Sp.)
16 (12) Vl I - 14 (10) Vl II - 12 (8) Va - 10 (8) Vc - 8 (6) Kb
Dauer: 13 Minuten
Das Werk ist bei den Internationalen Musikverlagen Hans Sikorski verlegt.
Einführung
"Folie" setzt in verschiedenen Sprachen verschiedene Assoziationen frei: Im Französischen bedeutet es "die Verrücktheit", im Italienischen gibt es den Bezug zu einem barocken Bassmodell, dem Follia-Bass. Mit diesen Möglichkeiten spielt das Stück.
Jörn Arnecke, 2000
Lesen Sie hier ein Interview mit Jörn Arnecke zu "Folie" (Nordbayerischer Kurier, 25. August 2000) und ein weiteres Interview zum Stück (Bayreuth Journal, August 2000).
Jörn Arnecke, 2000
Lesen Sie hier ein Interview mit Jörn Arnecke zu "Folie" (Nordbayerischer Kurier, 25. August 2000) und ein weiteres Interview zum Stück (Bayreuth Journal, August 2000).
Rezensionen
Ohne Schleifer und Raketen
Das Schleswig-Holstein Musik Festival Orchester bei Young Euro Classic
Das Schleswig-Holstein Musik Festival Orchester bei Young Euro Classic
Lang und schwarz war das Kleid, das die Pianistin Lise de la Salle am Freitag im Konzerthaus trug. Lang wie die musikalische Tradition, die sie fortzuführen sich entschlossen hat, schwarz wie der Ernst des Erwachsenseins, den man mit dieser Tradition verbindet. Aber Lise de la Salle ist noch sehr jung. Im Mai wurde sie sechzehn Jahre alt. (…) Am Freitag aber führte sie mit dem Jugendorchester des Schleswig-Holstein Musik Festivals unter der Leitung von Lothar Zagrosek Mozarts d-Moll-Klavierkonzert auf. (…) Lothar Zagrosek hat sich in seinem Dirigat zudem eher um die architektonische Stillstellung dieser Musik bemüht als um die Entfesselung ihrer selbstzerstörerischen Kräfte. (…)
Diese Triebbändigung des Klangs ist den Musikern sehr zugute gekommen bei der Aufführung von Bartóks Konzert für Orchester, die man als eine der reifsten Leistungen beim diesjährigen Festival Young Euro Classic bezeichnen darf. Bemerkenswert war auch die musikalische Qualität des Orchesterstücks "Folie" von Jörn Arnecke (Jahrgang 1973), das mit dem Material des barocken, aus Portugal stammenden Tanzes "La Follia" arbeitete, ohne die barocken Techniken der Variation dieses sehr beliebten Tanzes zu nutzen. Nicht nur in der motivischen Arbeit, auch auf der klanglichen Ebene hat Arnecke das Erscheinende von den Mitteln seiner Erzeugung abgekoppelt. Die Streicher mussten öfter die Saiten hinter dem Steg spielen, wodurch das Geräusch einer Windmaschine entstand. Diese und andere Aufgaben hat das Orchester mit Zagroseks Hilfe intelligent gelöst.
Jan Brachmann, Berliner Zeitung, 23. August 2004
Diese Triebbändigung des Klangs ist den Musikern sehr zugute gekommen bei der Aufführung von Bartóks Konzert für Orchester, die man als eine der reifsten Leistungen beim diesjährigen Festival Young Euro Classic bezeichnen darf. Bemerkenswert war auch die musikalische Qualität des Orchesterstücks "Folie" von Jörn Arnecke (Jahrgang 1973), das mit dem Material des barocken, aus Portugal stammenden Tanzes "La Follia" arbeitete, ohne die barocken Techniken der Variation dieses sehr beliebten Tanzes zu nutzen. Nicht nur in der motivischen Arbeit, auch auf der klanglichen Ebene hat Arnecke das Erscheinende von den Mitteln seiner Erzeugung abgekoppelt. Die Streicher mussten öfter die Saiten hinter dem Steg spielen, wodurch das Geräusch einer Windmaschine entstand. Diese und andere Aufgaben hat das Orchester mit Zagroseks Hilfe intelligent gelöst.
Jan Brachmann, Berliner Zeitung, 23. August 2004
Mal elegisch, mal opulent
Soeben wurde Jörn Arneckes Farce für Musik "Drei Helden" erfolgreich uraufgeführt, und im August erhielt der Komponist den Hindemith-Preis. Bei Young Euro Classic stellte das Schleswig-Holstein Musik Festival Orchester unter Lothar Zagrosek sein vier Jahre altes Orchesterwerk "Folie" vor. Schwankend zwischen Tradition und Experiment, wartet diese Studie für großes Orchester mit Klängen am Rande zum Geräusch ebenso auf wie mit opulenter Lautstärke. (…)
Uwe Friedrich, Tagesspiegel, 22. August 2004
Uwe Friedrich, Tagesspiegel, 22. August 2004
Deutscher Klangsinn
Bei Neuer Musik sind Publikum und Rezensent dankbar für ein gutes Programmheft — auch wenn der Rezensent das aus Imagegründen ungern zugibt. Zum letzten Konzert der Orchester-Akademie 2004 unter Leitung des Moderne-Spezialisten Lothar Zagrosek im ausverkauften Theater Itzehoe gabs ausführliche Erläuterungen zum Orchesterwerk "Folie" des Hindemith-Preisträgres 2004 Jörn Arnecke. Der Titel sei mehrdeutig, heißt es in dem klugen Beitrag. Spiele sowohl auf das leise Knistern von Papier an wie auf seine französische Bedeutung (Verrücktkeit) oder die spanische Tanzform "La Folia". Man konnte es hören — wenn die Geiger ihre Bögen am Steg ihrer Instrumente strichen, die Celli fahle Flageolett-Glissandi beisteuerten oder die Schlagzeuger komplizierte Rhythmen trommelten. Ein spannendes, mit aufregenden Farben garniertes Werk, das die jungen Musiker und Altmeister Zagrosek brillant und mit viel Klangsinn inszenierten — bis zum enormen Anschwellen im Finale, das in seiner brachialen Konsequenz an Ravel erinnert. (…)
Christoph Kalies, Flensburger Tageblatt, 21. August 2004
Christoph Kalies, Flensburger Tageblatt, 21. August 2004
Aufs Treppchen mit den Siegern
Das Festivalorchester präsentiert sich heute unter Zagrosek in Berlin
Das Festivalorchester präsentiert sich heute unter Zagrosek in Berlin
Das Orchester des Schleswig-Holstein Musik Festivals biegt auf die Zielgerade ein — fern von Athen. Athletisch durchtrainiert präsentierte es sich am Donnerstag in Itzehoe allemal und wird es bestimmt auch heute Abend in Berlin bei "young euro classic" im Konzerthaus Berlin tun. (…) Da ist ein geschmeidiger Klangkörper zusammengewachsen, dessen Agilität und Koordination kaum Wünsche offen lässt.
Stuttgarts Generalmusikdirektor Lothar Zagrosek hatte jetzt beim letzten Projekt in voller Besetzungsstärke (sein Nachfolger Michael Güttler findet ab Dienstag in Salzau nur noch ein Kammerorchester vor) das offensichtliche Vergnügen, Spitzenleistungen nach Belieben abrufen zu können: beispielsweise in Béla Bartóks wahrlich Hürden-reichem Konzert für Orchester, das Solo-Einlagen wie Mannschaftsgeist gleichermaßen abverlangt. Bartóks visionäre Klangeffekte schlossen im bejubelten Konzert den programmatischen Kreis zur "Folie" des Hindemith-Preisträgers Jörn Arnecke und dessen frappierenden Geräusch-Grenzgängen. (…)
Christian Strehk, Kieler Nachrichten, 20. August 2004
Stuttgarts Generalmusikdirektor Lothar Zagrosek hatte jetzt beim letzten Projekt in voller Besetzungsstärke (sein Nachfolger Michael Güttler findet ab Dienstag in Salzau nur noch ein Kammerorchester vor) das offensichtliche Vergnügen, Spitzenleistungen nach Belieben abrufen zu können: beispielsweise in Béla Bartóks wahrlich Hürden-reichem Konzert für Orchester, das Solo-Einlagen wie Mannschaftsgeist gleichermaßen abverlangt. Bartóks visionäre Klangeffekte schlossen im bejubelten Konzert den programmatischen Kreis zur "Folie" des Hindemith-Preisträgers Jörn Arnecke und dessen frappierenden Geräusch-Grenzgängen. (…)
Christian Strehk, Kieler Nachrichten, 20. August 2004
Ekstase, Emotion, Experiment
Im Spielrausch: Das Orchester des Festivals junger Künstler überzeugt auf ganzer Linie
Im Spielrausch: Das Orchester des Festivals junger Künstler überzeugt auf ganzer Linie
In formaler Hinsicht ist es ohnehin ein Höhepunkt — das Abschlusskonzert mit dem Symphonieorchester beim Festival junger Künstler. Umso schöner, umso erfreulicher, wenn die Erwartungen erfüllt werden, ja mehr als das — übertroffen werden. Man darf es getrost aussprechen: In seinem 50. Jahr hat das Internationale Jugend-Festspieltreffen seinem alten und neuen Namen (s.o.) in jeder Hinsicht Ehre gemacht.
Das fängt schon programmatisch an: Mit einer Uraufführung, dem Konzert für Orchester von Béla Bartók und dem Violinkonzert d-Moll des Gründungspatrons des Festivals, Jean Sibelius, wurde eine Brücke vom 20. ins 21. Jahrhundert geschlagen, die sich mit dem Anspruch des Festivals als Atelier, in dem Tradition und Moderne miteinander vereint sind, deckt. Ein schönes, ein spannendes und nicht unbedingt bequemes Programm, auf das einzulassen es sich aber unbedingt lohnt.
Eines hat das Konzert unter der Leitung von Ferenc Gábor auch aus der Musikerperspektive gezeigt: wie ein junger, sicher nicht in allen Bereichen homogen ausgestatteter Klangkörper, der in nur knapp drei Wochen verschmelzen soll, an Stücken wachsen kann, ja sich vielleicht sogar über sie hinaus steigert. (…)
Der Geist dieses engagiert-konstruktiven Musizierens war (…) von Anfang zu verspüren. Jörn Arneckes Komposition "Folie" erlebte unter diesen Voraussetzungen eine glückliche, erfreuliche Uraufführung, der die Bereitschaft, das Ungewohnte zumindest verstehen zu wollen, anzumerken war. Natürlich sind die klanglichen Dimensionen eines solchen Werks, das die beiden Pole Tonlichkeit und Geräuschkulisse als formale Extreme zum Gegenstand hat, für junge Musikstudenten, deren Ausbildung im traditionellen Sinne erfolgt, ungewohnt. Aber geht es so nicht auch dem normalen "Konzertverbraucher", wenn er mit der Sprengung der klassischen Tonalität konfrontiert wird? Auch über 100 Jahre nach Schönberg…
"Folie" hinterließ auch in formaler Hinsicht interessante Eindrücke; seine vordergründige Dreiteiligkeit, in deren Mitte ein eher experimenteller Geräuschblock zu erkennen ist, verleiht dem Werk sozusagen eine Art klassisches Erscheinungsbild. Die fugiert vorgetragenen Motive im "Finale" und der markante Schluss, der keiner ist, weil der Komponist "Folie" auf der Geräuschebene ausklingen lässt, bringen immer wieder dieses geschickt inszenierte Spiel mit Tradition und Experiment in den von Jörn Arnecke beabsichtigten "verrückten" Kontrast. (…)
In allen drei Fällen reagiert das Publikum am Ende mit heftigem, begeisterten Applaus. (…)
Alexander Dick, Nordbayerischer Kurier (Bayreuth), 29. August 2000
Das fängt schon programmatisch an: Mit einer Uraufführung, dem Konzert für Orchester von Béla Bartók und dem Violinkonzert d-Moll des Gründungspatrons des Festivals, Jean Sibelius, wurde eine Brücke vom 20. ins 21. Jahrhundert geschlagen, die sich mit dem Anspruch des Festivals als Atelier, in dem Tradition und Moderne miteinander vereint sind, deckt. Ein schönes, ein spannendes und nicht unbedingt bequemes Programm, auf das einzulassen es sich aber unbedingt lohnt.
Eines hat das Konzert unter der Leitung von Ferenc Gábor auch aus der Musikerperspektive gezeigt: wie ein junger, sicher nicht in allen Bereichen homogen ausgestatteter Klangkörper, der in nur knapp drei Wochen verschmelzen soll, an Stücken wachsen kann, ja sich vielleicht sogar über sie hinaus steigert. (…)
Der Geist dieses engagiert-konstruktiven Musizierens war (…) von Anfang zu verspüren. Jörn Arneckes Komposition "Folie" erlebte unter diesen Voraussetzungen eine glückliche, erfreuliche Uraufführung, der die Bereitschaft, das Ungewohnte zumindest verstehen zu wollen, anzumerken war. Natürlich sind die klanglichen Dimensionen eines solchen Werks, das die beiden Pole Tonlichkeit und Geräuschkulisse als formale Extreme zum Gegenstand hat, für junge Musikstudenten, deren Ausbildung im traditionellen Sinne erfolgt, ungewohnt. Aber geht es so nicht auch dem normalen "Konzertverbraucher", wenn er mit der Sprengung der klassischen Tonalität konfrontiert wird? Auch über 100 Jahre nach Schönberg…
"Folie" hinterließ auch in formaler Hinsicht interessante Eindrücke; seine vordergründige Dreiteiligkeit, in deren Mitte ein eher experimenteller Geräuschblock zu erkennen ist, verleiht dem Werk sozusagen eine Art klassisches Erscheinungsbild. Die fugiert vorgetragenen Motive im "Finale" und der markante Schluss, der keiner ist, weil der Komponist "Folie" auf der Geräuschebene ausklingen lässt, bringen immer wieder dieses geschickt inszenierte Spiel mit Tradition und Experiment in den von Jörn Arnecke beabsichtigten "verrückten" Kontrast. (…)
In allen drei Fällen reagiert das Publikum am Ende mit heftigem, begeisterten Applaus. (…)
Alexander Dick, Nordbayerischer Kurier (Bayreuth), 29. August 2000
Abschluss in Bayreuth
Grimmiges wird sanft
Grimmiges wird sanft
(…) Am Sonntag verabschiedete sich das Treffen mit einem Orchesterkonzert in der Bayreuther Stadthalle, das mit der Uraufführung einer Auftragskomposition von Jörn Arnecke begann (…) Dirigent war der aus dem rumänischen Cluj stammende Ferenc Gábor (…).
Der 1973 in Hameln geborene Jörn Arnecke nennt sein Orchesterstück "Folie", also etwas, das dünn ausgewalzt ist. Um dies musikalisch zu bewerkstelligen, benötigt der Komponist ein Symphonieorchester von Mahlerschen Dimensionen, das reichlich beschäftigt wird. Er kennt sich in zeitgenössischen Mitteln aus, geht allerdings nicht so weit, die Instrumente zu verfremden, so dass der Ablauf gut zu verfolgen ist.
Die damit verbundenen didaktischen Aufgaben löste Gábor geschickt, ziselierte melodische Momente sorgfältig heraus. Folien sind keine Juwelen, dessen ist sich auch Arnecke bewusst, doch kann damit durchaus Kunst produziert werden. Er hat ein aufrichtiges, unspektakuläres Werk geschaffen, dem das Orchester in allen Phasen gerecht wurde und das es an ein Publikum herantrug, das den anwesenden Komponisten in seinen Applaus einbezog.
W. Bronnenmeyer, Nürnberger Zeitung, 29. August 2000
Der 1973 in Hameln geborene Jörn Arnecke nennt sein Orchesterstück "Folie", also etwas, das dünn ausgewalzt ist. Um dies musikalisch zu bewerkstelligen, benötigt der Komponist ein Symphonieorchester von Mahlerschen Dimensionen, das reichlich beschäftigt wird. Er kennt sich in zeitgenössischen Mitteln aus, geht allerdings nicht so weit, die Instrumente zu verfremden, so dass der Ablauf gut zu verfolgen ist.
Die damit verbundenen didaktischen Aufgaben löste Gábor geschickt, ziselierte melodische Momente sorgfältig heraus. Folien sind keine Juwelen, dessen ist sich auch Arnecke bewusst, doch kann damit durchaus Kunst produziert werden. Er hat ein aufrichtiges, unspektakuläres Werk geschaffen, dem das Orchester in allen Phasen gerecht wurde und das es an ein Publikum herantrug, das den anwesenden Komponisten in seinen Applaus einbezog.
W. Bronnenmeyer, Nürnberger Zeitung, 29. August 2000