Jörn Arnecke: "Jetzt kommt eine Oper"
Der Hamelner Komponist instrumentierte Klassiker bei den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker
Die Sommerlichen Musiktage Hitzacker standen in diesem Jahr unter dem Motto "Wasser-Musik". Jörn Arnecke instrumentierte für das Festival Lieder von Schubert und Brahms. Mit dem Hamelner Komponisten sprach Karla Langehein.
Herr Arnecke, Ihr neues Werk "Auf dem Wasser zu singen" ist eine Auftragskomposition der Sommerlichen Musiktage Hitzacker. Welche Vorgaben waren mit dem Auftrag verbunden?
Markus Fein hatte mir einen Vorschlag gemacht, der noch Schubert, Brahms und Mahler umfasste, und Auflage war, dass zum Festival Thema "Wasser-Musik" die Lieder mit Wasser zu tun haben sollten. Aus zwei Gründen habe ich Mahler herausgenommen: Zum einen fand ich es schlichter und stimmiger, nur zwei Komponisten zu nehmen. Und ich hatte bei Mahler, der ein glänzender Instrumentator war und auch Lieder von sich selbst instrumentiert hat, Bedenken, mit einem Streicherensemble dagegen anzugehen, denn man hat ja bei Mahler auch die Orchesterfarben eines großen Orchesters im Ohr, und da wollte ich nicht mithalten müssen. So habe ich mich auf Schubert und Brahms beschränkt und versucht, Texte und Lieder zu finden, die als Abfolge auch eine eigene Geschichte ergeben.
Wie würden Sie die Geschichte beschreiben?
Für mich ist das das Aufkeimen und am Ende Ersticken einer Liebesgeschichte. Deswegen habe ich aus den beiden großen Liederzyklen von Schubert jeweils ein Lied genommen und - für mich ganz folgerichtig - "Meeres Stille" von Schubert ans Ende gesetzt. Wenn man "Die schöne Müllerin" im Hinterkopf hat und weiß, dass sich am Ende der Müller in den Bach stürzt, dann hat dieses "Todesstille fürchterlich" in der "Meeres Stille" eine ganz starke Bedeutung und einen Bezug zu dieser Liebesgeschichte. Diese Verbindung wollte ich aufzeigen.
Ein Intermezzo kann für sich stehen oder sich auf das beziehen, was vorher oder hinterher abläuft. Was war für Sie das Entscheidende?
Ich habe versucht, ganz verschiedene Wege zu gehen, weil es diese Möglichkeiten gibt. Es gibt Zwischenspiele, die sich ganz klar aus einem Motiv des vorangehenden Liedes ableiten – z.B. das erste fängt mit dieser kleinen Wellenbewegung aus dem Schuberts "Auf dem Wasser zu singen" an und vergrößert sie allmählich, so dass es zu einer Klangfläche kommt. Ich habe andererseits aber auch versucht, in anderen Zwischenspielen das folgende Lied vorzubereiten, sei es tonartlich einen Übergang herzustellen, indem man gewisse Töne schon vorbereitend hineinschleichen lässt, sei es, dass man die Atmosphäre vorbereitet. Es gibt auch zwei Zwischenspiele, die zunächst ganz für sich zu stehen scheinen, deren Brückenfunktion im Zyklus erst im Gesamten erkennbar wird. Zugleich hatte ich die Idee, dass die Zwischenspiele auch für sich aufgeführt werden können, und das war natürlich beim Komponieren sehr reizvoll: einerseits immer die Verbindung herstellen zu müssen zum Folgelied und den Anschluß zum vorangehenden Lied, aber auch die Zwischenspiele für sich als Zyklus zu denken.
Welche Fragestellungen ergaben sich bei der Instrumentation?
Die grundsätzliche Fragestellung ist: macht man es so, wie Schubert es vielleicht gemacht hätte - wie Brahms es vielleicht gemacht hätte - oder versucht man, die Atmosphäre der Lieder mit Instrumentations-Techniken aufzugreifen, die erst später entwickelt wurden. In dem Bewusstsein, dass dieser Streicherapparat von 18 Streichern doch eine große Farbigkeit und Mischung von Farben ermöglicht, die ich nicht ganz auslassen wollte, habe ich mich dazu entschlossen, zugleich auch zu zeigen, dass es eine gewisse Distanz gibt von heute zu diesen romantischen Liedern. Ich habe deswegen in der Instrumentation sehr viel mit Dämpfern gearbeitet, die immer wieder eine Schattierung dieser Lieder zeigen bis hin zur "Meeres Stille", die mit sehr schweren Dämpfern gespielt wird, die noch stärker dämpfen und einen Übergang herstellen zum Geräusch. Die Instrumentation hat versucht, den Klaviertext sehr, sehr notengetreu aufzunehmen, aber auch zeitgenössische Techniken der Aufsplittung und klangfarbliche Angaben mit aufzunehmen. Man muss natürlich vorher wissen: Es wird trotz aller Notentreue ganz anders mit dem Streicherkörper. Andererseits nähert sich die Streicherbesetzung der Klavierfassung insofern an, als sie eine gemeinsame Klangfarbe hat, und damit kann man sehr stark spielen. Auch bei Brahms, diese metrischen Geschichten zwei gegen drei – das kann man im Streicherklang noch viel mehr verstärken und den Strom noch mehr sausen lassen. Das ist, glaube ich, eine sehr schöne Möglichkeit, und ich finde es deswegen auch "erlaubt", diese Bearbeitung vorzunehmen.
Was kommt jetzt, nach Hitzacker?
Jetzt kommt eine Oper, aber ich darf noch nicht verraten, wofür, das will das Festival noch nicht. Nur so viel: sie wird im Herbst 2007 uraufgeführt, nicht in Hamburg, aber in Deutschland, und im übrigen auch nach einem modernen Text von einem lebenden Autor, und sie entsteht in Zusammenarbeit mit dem Autor.
Dewezet (Deister- und Weserzeitung Hameln), 12. August 2006
Die Sommerlichen Musiktage Hitzacker standen in diesem Jahr unter dem Motto "Wasser-Musik". Jörn Arnecke instrumentierte für das Festival Lieder von Schubert und Brahms. Mit dem Hamelner Komponisten sprach Karla Langehein.
Herr Arnecke, Ihr neues Werk "Auf dem Wasser zu singen" ist eine Auftragskomposition der Sommerlichen Musiktage Hitzacker. Welche Vorgaben waren mit dem Auftrag verbunden?
Markus Fein hatte mir einen Vorschlag gemacht, der noch Schubert, Brahms und Mahler umfasste, und Auflage war, dass zum Festival Thema "Wasser-Musik" die Lieder mit Wasser zu tun haben sollten. Aus zwei Gründen habe ich Mahler herausgenommen: Zum einen fand ich es schlichter und stimmiger, nur zwei Komponisten zu nehmen. Und ich hatte bei Mahler, der ein glänzender Instrumentator war und auch Lieder von sich selbst instrumentiert hat, Bedenken, mit einem Streicherensemble dagegen anzugehen, denn man hat ja bei Mahler auch die Orchesterfarben eines großen Orchesters im Ohr, und da wollte ich nicht mithalten müssen. So habe ich mich auf Schubert und Brahms beschränkt und versucht, Texte und Lieder zu finden, die als Abfolge auch eine eigene Geschichte ergeben.
Wie würden Sie die Geschichte beschreiben?
Für mich ist das das Aufkeimen und am Ende Ersticken einer Liebesgeschichte. Deswegen habe ich aus den beiden großen Liederzyklen von Schubert jeweils ein Lied genommen und - für mich ganz folgerichtig - "Meeres Stille" von Schubert ans Ende gesetzt. Wenn man "Die schöne Müllerin" im Hinterkopf hat und weiß, dass sich am Ende der Müller in den Bach stürzt, dann hat dieses "Todesstille fürchterlich" in der "Meeres Stille" eine ganz starke Bedeutung und einen Bezug zu dieser Liebesgeschichte. Diese Verbindung wollte ich aufzeigen.
Ein Intermezzo kann für sich stehen oder sich auf das beziehen, was vorher oder hinterher abläuft. Was war für Sie das Entscheidende?
Ich habe versucht, ganz verschiedene Wege zu gehen, weil es diese Möglichkeiten gibt. Es gibt Zwischenspiele, die sich ganz klar aus einem Motiv des vorangehenden Liedes ableiten – z.B. das erste fängt mit dieser kleinen Wellenbewegung aus dem Schuberts "Auf dem Wasser zu singen" an und vergrößert sie allmählich, so dass es zu einer Klangfläche kommt. Ich habe andererseits aber auch versucht, in anderen Zwischenspielen das folgende Lied vorzubereiten, sei es tonartlich einen Übergang herzustellen, indem man gewisse Töne schon vorbereitend hineinschleichen lässt, sei es, dass man die Atmosphäre vorbereitet. Es gibt auch zwei Zwischenspiele, die zunächst ganz für sich zu stehen scheinen, deren Brückenfunktion im Zyklus erst im Gesamten erkennbar wird. Zugleich hatte ich die Idee, dass die Zwischenspiele auch für sich aufgeführt werden können, und das war natürlich beim Komponieren sehr reizvoll: einerseits immer die Verbindung herstellen zu müssen zum Folgelied und den Anschluß zum vorangehenden Lied, aber auch die Zwischenspiele für sich als Zyklus zu denken.
Welche Fragestellungen ergaben sich bei der Instrumentation?
Die grundsätzliche Fragestellung ist: macht man es so, wie Schubert es vielleicht gemacht hätte - wie Brahms es vielleicht gemacht hätte - oder versucht man, die Atmosphäre der Lieder mit Instrumentations-Techniken aufzugreifen, die erst später entwickelt wurden. In dem Bewusstsein, dass dieser Streicherapparat von 18 Streichern doch eine große Farbigkeit und Mischung von Farben ermöglicht, die ich nicht ganz auslassen wollte, habe ich mich dazu entschlossen, zugleich auch zu zeigen, dass es eine gewisse Distanz gibt von heute zu diesen romantischen Liedern. Ich habe deswegen in der Instrumentation sehr viel mit Dämpfern gearbeitet, die immer wieder eine Schattierung dieser Lieder zeigen bis hin zur "Meeres Stille", die mit sehr schweren Dämpfern gespielt wird, die noch stärker dämpfen und einen Übergang herstellen zum Geräusch. Die Instrumentation hat versucht, den Klaviertext sehr, sehr notengetreu aufzunehmen, aber auch zeitgenössische Techniken der Aufsplittung und klangfarbliche Angaben mit aufzunehmen. Man muss natürlich vorher wissen: Es wird trotz aller Notentreue ganz anders mit dem Streicherkörper. Andererseits nähert sich die Streicherbesetzung der Klavierfassung insofern an, als sie eine gemeinsame Klangfarbe hat, und damit kann man sehr stark spielen. Auch bei Brahms, diese metrischen Geschichten zwei gegen drei – das kann man im Streicherklang noch viel mehr verstärken und den Strom noch mehr sausen lassen. Das ist, glaube ich, eine sehr schöne Möglichkeit, und ich finde es deswegen auch "erlaubt", diese Bearbeitung vorzunehmen.
Was kommt jetzt, nach Hitzacker?
Jetzt kommt eine Oper, aber ich darf noch nicht verraten, wofür, das will das Festival noch nicht. Nur so viel: sie wird im Herbst 2007 uraufgeführt, nicht in Hamburg, aber in Deutschland, und im übrigen auch nach einem modernen Text von einem lebenden Autor, und sie entsteht in Zusammenarbeit mit dem Autor.
Dewezet (Deister- und Weserzeitung Hameln), 12. August 2006