"Ich will etwas schaffen, das überdauert"
Interview: Komponist Jörn Arnecke über seine erste abendfüllende Oper "Das Fest im Meer"
Wie fühlen Sie sich jetzt, kurz nach der Premiere Ihrer ersten abendfüllenden Oper "Das Fest im Meer"?
Ganz toll. Es war ein Tag, auf den ich sehr lange hingearbeitet und -geträumt habe. So wuchs eine sehr große Spannung. Und man fragt sich: Geht alles gut? Denn auf diesem Niveau muss ich mich ja erst einmal beweisen. Und gerade, wenn man jung ist, sind die ersten Pflöcke, die man einschlägt, sehr wichtig. Wenn man dann in der Aufführung merkt: das Publikum fühlt mit, die Musik entwickelt Kraft, ist man selbst sehr bewegt. Nicht zuletzt auch, weil die Zeit des Komponierens mit ihren vielen wichtigen Erlebnissen noch einmal an einem vorbeizieht.
Wie lange haben Sie an diesem Musiktheaterstück komponiert?
Ein gutes Jahr.
Klingt es so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Ja. Ich glaube, auch der Raumklang war sehr schön. Als ich sie fertig komponiert hatte, habe ich auch fast nichts mehr geändert. Ich war mir meiner Sache dann auch sicher. Und ich habe ja die Proben miterlebt.
Was macht zeitgenössische Musik wie Ihre aus - im Vergleich zur Unterhaltungsmusik?
Ich will etwas schaffen, was überdauert. Ich komponiere nicht für die schnelle Zustimmung, sondern um tiefe Berührung zu erzeugen. Mit Unterhaltungsmusik verknüpfen die Leute meist persönliche Erlebnisse. Meine Musik soll aus sich selbst heraus wirken, ich möchte das Erlebnis selbst schaffen.
Hören Sie selbst Unterhaltungsmusik?
Gelegentlich schon. Denn ich habe die Überzeugung gewonnen, dass ich das kennen muss, wenn ich komponiere.
Und was hören Sie dann?
Elton John zum Beispiel. Aber ich höre Musik grundsätzlich nicht nebenbei.
In Ihrer Oper setzen Sie auch Ratschen ein, die man ja eigentlich nicht mit Musik assoziiert. Wann wird für Sie ein Geräusch zu Musik?
Jedes Geräusch kann Musik sein, wenn man es bewusst erlebt. Und Musik, die Geräusche einbezieht, kann auch wach machen für den Alltag. Wenn man ein Geräusch in der Musik einsetzen will, sollte man es aber auch mit Inhalt füllen.
Was hat Sie an der Vorlage - dem von Regisseur Christoph von Bernuth vorgeschlagenen Roman "To the Wedding" von John Berger - inspiriert, dass Sie sich entschlossen, den Stoff zu vertonen? Immerhin liegt die Immunschwächekrankheit AIDS als Opernstoff nicht gerade auf der Hand...
Mich hat Verschiedenes inspiriert. Erstens: dieser Festmoment der Hochzeit. Ich konnte mir gleich vorstellen, das mit Musik zu füllen. Und mich reizte das Aufeinandertreffen von Glück und Tragik. Außerdem finde ich es wichtig, Themen auszuwählen, die zum Leben gehören — umso mehr, als die Zeit, da AIDS ein großes Thema war, vorbei ist. Auch eine Oper kann es wieder ins Bewusstsein bringen.
Ist es nicht sehr riskant, das Publikum einer Musik auszusetzen, die wenig Anknüpfungspunkte bietet, wo die Gefahr besteht, dass da niemand mehr mitgeht?
Ja, aber es kann gelingen, wenn man deutlich macht, dass das Stück seine eigenen Gesetze entwickelt. Und wenn es gelingt, Überraschung in Entdeckerfreude umzuwandeln.
Wie wünschen Sie sich den idealen Hörer Ihrer Musik?
Vor allem offen. Er oder sie lässt sich ein auf das, was da kommt, und ist bereit, seine Erwartung von der Musik infrage stellen zu lassen. Und er ist natürlich konzentriert, aber auch empfindsam.
Bleibt in Ihrem Leben, neben der Musik, Platz für weitere Leidenschaften?
Ja, es gibt ganz viele Dinge. Da ist Platz für meine sehr liebe Freundin. Dann suche ich natürlich auch Ablenkung, zum Beispiel beim Fußball gucken, bei Spaziergängen, beim Schach, Zeitunglesen oder Fernsehen bei Freunden.
Welche Projekte folgen dem heutigen Meilenstein?
Im Augenblick arbeite ich gerade an einem Klarinettenstück, das am 30. August bei dem Künstler Friedrich Heißmeyer in Lachem uraufgeführt wird. Es wird gespielt von Joachim Klemm. Er stammt aus Hameln und ist jetzt Professor in Dresden. Dann wird Pfingsten 2004 ein Musiktheaterstück von mir an der Kammerakademie Rheinsberg gespielt. Und noch davor führt das "Auryn-Quartett" mein zweites Streichquartett in der Tonhalle Düsseldorf auf.
Juliane Lehmann, Deister- und Weserzeitung, 20. Juni 2003
Wie fühlen Sie sich jetzt, kurz nach der Premiere Ihrer ersten abendfüllenden Oper "Das Fest im Meer"?
Ganz toll. Es war ein Tag, auf den ich sehr lange hingearbeitet und -geträumt habe. So wuchs eine sehr große Spannung. Und man fragt sich: Geht alles gut? Denn auf diesem Niveau muss ich mich ja erst einmal beweisen. Und gerade, wenn man jung ist, sind die ersten Pflöcke, die man einschlägt, sehr wichtig. Wenn man dann in der Aufführung merkt: das Publikum fühlt mit, die Musik entwickelt Kraft, ist man selbst sehr bewegt. Nicht zuletzt auch, weil die Zeit des Komponierens mit ihren vielen wichtigen Erlebnissen noch einmal an einem vorbeizieht.
Wie lange haben Sie an diesem Musiktheaterstück komponiert?
Ein gutes Jahr.
Klingt es so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Ja. Ich glaube, auch der Raumklang war sehr schön. Als ich sie fertig komponiert hatte, habe ich auch fast nichts mehr geändert. Ich war mir meiner Sache dann auch sicher. Und ich habe ja die Proben miterlebt.
Was macht zeitgenössische Musik wie Ihre aus - im Vergleich zur Unterhaltungsmusik?
Ich will etwas schaffen, was überdauert. Ich komponiere nicht für die schnelle Zustimmung, sondern um tiefe Berührung zu erzeugen. Mit Unterhaltungsmusik verknüpfen die Leute meist persönliche Erlebnisse. Meine Musik soll aus sich selbst heraus wirken, ich möchte das Erlebnis selbst schaffen.
Hören Sie selbst Unterhaltungsmusik?
Gelegentlich schon. Denn ich habe die Überzeugung gewonnen, dass ich das kennen muss, wenn ich komponiere.
Und was hören Sie dann?
Elton John zum Beispiel. Aber ich höre Musik grundsätzlich nicht nebenbei.
In Ihrer Oper setzen Sie auch Ratschen ein, die man ja eigentlich nicht mit Musik assoziiert. Wann wird für Sie ein Geräusch zu Musik?
Jedes Geräusch kann Musik sein, wenn man es bewusst erlebt. Und Musik, die Geräusche einbezieht, kann auch wach machen für den Alltag. Wenn man ein Geräusch in der Musik einsetzen will, sollte man es aber auch mit Inhalt füllen.
Was hat Sie an der Vorlage - dem von Regisseur Christoph von Bernuth vorgeschlagenen Roman "To the Wedding" von John Berger - inspiriert, dass Sie sich entschlossen, den Stoff zu vertonen? Immerhin liegt die Immunschwächekrankheit AIDS als Opernstoff nicht gerade auf der Hand...
Mich hat Verschiedenes inspiriert. Erstens: dieser Festmoment der Hochzeit. Ich konnte mir gleich vorstellen, das mit Musik zu füllen. Und mich reizte das Aufeinandertreffen von Glück und Tragik. Außerdem finde ich es wichtig, Themen auszuwählen, die zum Leben gehören — umso mehr, als die Zeit, da AIDS ein großes Thema war, vorbei ist. Auch eine Oper kann es wieder ins Bewusstsein bringen.
Ist es nicht sehr riskant, das Publikum einer Musik auszusetzen, die wenig Anknüpfungspunkte bietet, wo die Gefahr besteht, dass da niemand mehr mitgeht?
Ja, aber es kann gelingen, wenn man deutlich macht, dass das Stück seine eigenen Gesetze entwickelt. Und wenn es gelingt, Überraschung in Entdeckerfreude umzuwandeln.
Wie wünschen Sie sich den idealen Hörer Ihrer Musik?
Vor allem offen. Er oder sie lässt sich ein auf das, was da kommt, und ist bereit, seine Erwartung von der Musik infrage stellen zu lassen. Und er ist natürlich konzentriert, aber auch empfindsam.
Bleibt in Ihrem Leben, neben der Musik, Platz für weitere Leidenschaften?
Ja, es gibt ganz viele Dinge. Da ist Platz für meine sehr liebe Freundin. Dann suche ich natürlich auch Ablenkung, zum Beispiel beim Fußball gucken, bei Spaziergängen, beim Schach, Zeitunglesen oder Fernsehen bei Freunden.
Welche Projekte folgen dem heutigen Meilenstein?
Im Augenblick arbeite ich gerade an einem Klarinettenstück, das am 30. August bei dem Künstler Friedrich Heißmeyer in Lachem uraufgeführt wird. Es wird gespielt von Joachim Klemm. Er stammt aus Hameln und ist jetzt Professor in Dresden. Dann wird Pfingsten 2004 ein Musiktheaterstück von mir an der Kammerakademie Rheinsberg gespielt. Und noch davor führt das "Auryn-Quartett" mein zweites Streichquartett in der Tonhalle Düsseldorf auf.
Juliane Lehmann, Deister- und Weserzeitung, 20. Juni 2003