Nachtferne (1996)
Uraufführung (UA): Paris, Grand Amphithéâtre de la Sorbonne, 2. April 1998
Orchestre de la Cité Universitaire, Ltg.: Adrian McDonnell
Deutsche Erstaufführung: Saarbrücken, Kongresshalle, 13. Mai 1999
Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken, Ltg.: Konstantia Gourzi
Besetzung: 3 Fl (3. Picc) - 2 Ob - 2 Kl - 2 Fg;
2 Hr - 2 Trp - 2 Pos;
Klav - Hrf; Pk - Sz (2 Sp)
12 Vl I - 10 Vl II - 8 Va - 8 Vc - 5 Kb
Dauer: 7 Minuten
Das Werk ist bei den Internationalen Musikverlagen Hans Sikorski verlegt.
Orchestre de la Cité Universitaire, Ltg.: Adrian McDonnell
Deutsche Erstaufführung: Saarbrücken, Kongresshalle, 13. Mai 1999
Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken, Ltg.: Konstantia Gourzi
Besetzung: 3 Fl (3. Picc) - 2 Ob - 2 Kl - 2 Fg;
2 Hr - 2 Trp - 2 Pos;
Klav - Hrf; Pk - Sz (2 Sp)
12 Vl I - 10 Vl II - 8 Va - 8 Vc - 5 Kb
Dauer: 7 Minuten
Das Werk ist bei den Internationalen Musikverlagen Hans Sikorski verlegt.
Einführung
Der Titel "Nachtferne" ist nicht als plakatives Nachahmen von Lauten und Geräuschen gemeint, sondern als Stimmungsbild, das eine Formvorstellung ergibt: Die weite Perspektive einer Nacht öffnet sich dem Hörer durch eine einzige Tonreihe, die in verkleinerter Gestalt immer wieder erscheint.
Die Tonreihe besteht aus vierzig Tönen, in ihrer Grundgestalt chromatisch. Diese Reihe bestimmt die 1. Violinen; das Tonmaterial der übrigen Streicher ergibt sich durch Bearbeitung dieser Reihe: Krebs (2. Violinen), Krebsumkehrung (Viola), Umkehrung (Violoncello) und einer Mischform aus Grundreihe und Umkehrung (Kontrabaß).
Auch die anderen Instrumentengruppen beziehen sich auf diese Reihe. Bei den Holzbläsern ist sie auf eine Ganztonleiter projiziert; in den Blechbläsern findet sich eine pentatonische Fassung.
Der Formbau ist am besten in den Streichern zu verdeutlichen: Aus der sehr langgezogenen Reihe des Anfangs, einer stehenden Fläche, entwickelt sich über mehrere Zwischenstufen ein dramatisches, aufgewühltes, hektisches Tonknäuel.
Diese Formidee entspricht einem Phänomen der Perspektive: Steht man zwischen zwei Spiegeln und betrachtet sich in einem der Spiegel, so sieht man das eigene Bild - theoretisch - unendlich oft wiederholt. (Die Malerei kennt diese Erscheinung als "Bild im Bild".) Mein Orchesterstück fährt an dieser perspektivischen Linie entlang und durchmißt so die "Ferne der Nacht". Mit zunehmender Fahrt gewinnt die Musik immer mehr an Dringlichkeit und rhythmischer Kontur.
Jörn Arnecke, 1996
Die Tonreihe besteht aus vierzig Tönen, in ihrer Grundgestalt chromatisch. Diese Reihe bestimmt die 1. Violinen; das Tonmaterial der übrigen Streicher ergibt sich durch Bearbeitung dieser Reihe: Krebs (2. Violinen), Krebsumkehrung (Viola), Umkehrung (Violoncello) und einer Mischform aus Grundreihe und Umkehrung (Kontrabaß).
Auch die anderen Instrumentengruppen beziehen sich auf diese Reihe. Bei den Holzbläsern ist sie auf eine Ganztonleiter projiziert; in den Blechbläsern findet sich eine pentatonische Fassung.
Der Formbau ist am besten in den Streichern zu verdeutlichen: Aus der sehr langgezogenen Reihe des Anfangs, einer stehenden Fläche, entwickelt sich über mehrere Zwischenstufen ein dramatisches, aufgewühltes, hektisches Tonknäuel.
Diese Formidee entspricht einem Phänomen der Perspektive: Steht man zwischen zwei Spiegeln und betrachtet sich in einem der Spiegel, so sieht man das eigene Bild - theoretisch - unendlich oft wiederholt. (Die Malerei kennt diese Erscheinung als "Bild im Bild".) Mein Orchesterstück fährt an dieser perspektivischen Linie entlang und durchmißt so die "Ferne der Nacht". Mit zunehmender Fahrt gewinnt die Musik immer mehr an Dringlichkeit und rhythmischer Kontur.
Jörn Arnecke, 1996
Rezensionen
Humorvolle Dekonstruktion von Beethoven
Objektiv sind es nicht mal zehn Minuten, die Jörn Arnecke benötigt, um die ganze Weite einer Nacht musikalisch zu durchschreiten. Die Hamburger Erstaufführung seiner "Nachtferne", mit der die Symphoniker ihre Konzertsaison eröffneten, schuf gleichwohl atmosphärisch unendliche Hörräume. Ruhig pulsierende, irisierende Klangflächen evozieren die Stille der Nacht. Dann erfährt die Raummusik erste Störungen: Hornsignale brechen in die Ruhe ein, das statische Bild belebt sich. Der Nacht-Raum weitet sich. Musik aus der Ferne dringt ein. Immer dynamischer, ja dramatischer klingt diese Nachtferne, in die Raum-Ferne schleicht sich jene der Zeit hinein: Wie aus längst vergangener Zeit tauchen romantische Assoziationen auf. Als Erinnerungsfetzen, Traumsequenzen der musikalischen Vorväter des 30-Jährigen, schon heute verdient erfolgsverwöhnten Komponisten? (…) Ein verheißungsvoller Start in die Symphoniker-Spielzeit.
kra, DIE WELT, 28. September 2004
kra, DIE WELT, 28. September 2004
Brav bis bravourös
Bevor Andrey Boreyko in einigen Wochen das Amt des Symphoniker-Chefdirigenten mit einem Inaugurationskonzert offiziell übernimmt, wurde die Stammkundschaft in der Musikhalle schon mal sanft auf die zu erwartenden programmatischen Kursänderungen eingestimmt. Oberflächlich betrachtet, sah das erste Abo-Konzert der Saison ganz harmlos aus, doch die Tücken steckten in den Details: Anstatt das zeitgenössische Pflichtportiönchen in die fluchtverhindernde Mitte zu stellen, wurde "Nachtferne" des jungen Hamburger Hindemith-Preisträgers Jörn Arnecke an den Anfang gestellt. Und im Beethoven-Violinkonzert gaben die Kadenzen von Alfred Schnittke dem klassischen Meisterwerk einen modernisierenden Unterton.
Arneckes Frühwerk von 1996 wurde noch genauso brav und solide gespielt, wie es komponiert war. (…)
jomi, Hamburger Abendblatt, 28. September 2004
Arneckes Frühwerk von 1996 wurde noch genauso brav und solide gespielt, wie es komponiert war. (…)
jomi, Hamburger Abendblatt, 28. September 2004
Musikgemeinde feierte Katrin Scholz
Die Musikgemeinde Harburg steuert zielstrebig auf ihr Jubiläum im Herbst des kommenden Jahres zu. Auf den Tag genau ein Jahr vor dem großen Ereignis, zelebrierten nun die Hamburger Symphoniker unter der Leitung von Golo Berg mit ihrem Konzert in der Friedrich-Ebert-Halle den Einstieg ins 75. Jahr des Bestehens der Musikgemeinde.
Den Einstieg in den Konzertabend bildete ein zeitgenössisches Werk. In Anwesenheit des Komponisten Jörn Arnecke, interpretierte das Orchester dessen "Nachtferne". Das orchestrierte Stimmungsbild offenbarte beim genauen Hinhören seine tiefgründige Schönheit. Weite, langsame Tonreihen in den Streichern, darüber ornamentartige Spannungsbögen der Bläser. Schließlich sich verdichtende Spannungslinien: Die Streicher nahmen Fahrt auf, ein wirbelndes Tonknäuel zog die bis hierhin entspannten Zuhörer in seinen Bann. Weckte sie, erregte sie, nahm manchen von ihnen den Atem - Schluss. (…)
can, Hamburger Abendblatt (Harburg), 27. September 2004
Den Einstieg in den Konzertabend bildete ein zeitgenössisches Werk. In Anwesenheit des Komponisten Jörn Arnecke, interpretierte das Orchester dessen "Nachtferne". Das orchestrierte Stimmungsbild offenbarte beim genauen Hinhören seine tiefgründige Schönheit. Weite, langsame Tonreihen in den Streichern, darüber ornamentartige Spannungsbögen der Bläser. Schließlich sich verdichtende Spannungslinien: Die Streicher nahmen Fahrt auf, ein wirbelndes Tonknäuel zog die bis hierhin entspannten Zuhörer in seinen Bann. Weckte sie, erregte sie, nahm manchen von ihnen den Atem - Schluss. (…)
can, Hamburger Abendblatt (Harburg), 27. September 2004
800 Kinder machen Neue Musik
Was am Donnerstag in Saarbrücken und Forbach beim SR-Festival "Musik im 20. Jahrhundert" zu erleben war
Was am Donnerstag in Saarbrücken und Forbach beim SR-Festival "Musik im 20. Jahrhundert" zu erleben war
Ein Kinder-"Orchester", schwedische Volksmusik, Nachwuchskomponisten: Bunt wie selten war der Himmelfahrtstag bei "Musik im 20. Jahrhundert".
(…) Das Ding heißt "Saarbrücker Komponistenwerkstatt" und wurde vor zwei Jahren von SR und Musikhochschule erfunden: Werke von fünf Nachwuchskomponisten hat das SR-Orchester hat das SR-Orchester unter Leitung von Konstantia Gourzi einstudiert, in der Saarbrücker Kongreßhalle ist nun das Ergebnis zu hören. Vor spärlichem Publikum, unbekannte Namen "ziehen" nicht am Vatertags-Abend. Aber die fünf jungen Komponisten sorgen für angenehme Überraschungen. Zwar tun sich alle etwas schwer damit, einen übers Ganze reichenden Spannungsbogen zu entwickeln. Aber alle zeigen reiche Klangphantasie und je eigene Handschrift. (…) Jörn Arneckes "Nachtferne" handelt vom Raum, führt zunächst weit gespreizte Perspektiven-Linien immer enger zusammen, zum bedrängenden Alptraum - mit erlösendem Erwachen. (...)
Doris Döpke, Saarbrücker Zeitung, 15./16. Mai 1999
(…) Das Ding heißt "Saarbrücker Komponistenwerkstatt" und wurde vor zwei Jahren von SR und Musikhochschule erfunden: Werke von fünf Nachwuchskomponisten hat das SR-Orchester hat das SR-Orchester unter Leitung von Konstantia Gourzi einstudiert, in der Saarbrücker Kongreßhalle ist nun das Ergebnis zu hören. Vor spärlichem Publikum, unbekannte Namen "ziehen" nicht am Vatertags-Abend. Aber die fünf jungen Komponisten sorgen für angenehme Überraschungen. Zwar tun sich alle etwas schwer damit, einen übers Ganze reichenden Spannungsbogen zu entwickeln. Aber alle zeigen reiche Klangphantasie und je eigene Handschrift. (…) Jörn Arneckes "Nachtferne" handelt vom Raum, führt zunächst weit gespreizte Perspektiven-Linien immer enger zusammen, zum bedrängenden Alptraum - mit erlösendem Erwachen. (...)
Doris Döpke, Saarbrücker Zeitung, 15./16. Mai 1999