Im Auftrag Ihrer Staatsoper
Der Komponist Jörn Arnecke über seine erste abendfüllende Arbeit "Das Fest im Meer"
Das Gelübde ewiger Armut scheint Jörn Arnecke nicht abgelegt zu haben, im Gegensatz zu manchem seiner jungen Komponistenkollegen, die für die Schublade schreiben. Er hat gut zu tun. Sein jüngstes Musiktheaterwerk für Kammerorchester, "Das Fest im Meer", eine Auftragsarbeit der Staatsoper, wird am 17. dieses Monats auf Kampnagel aus der Taufe gehoben. Gerade kommt der jungenhaft frische und vom Uraufführungs-Stress keineswegs gezeichnete 29-Jährige von der Probe. "Ich bin kein manischer Komponist", gibt Arnecke eine mögliche Erklärung, "aber wenn man nicht trotzdem für die Sache brennt, wird es nichts." Für die WELT sprach Monika Nellissen mit dem jungen Mann, der in Hamburg und Paris studiert hat.
Sie hören Ihre Musik in diesen Tagen zum ersten Mal konkret mit dem Philharmonischen Staatsorchester. Haben sich die Klangvorstellungen Ihres inneren Ohrs eingelöst?
Es ist immer ein ganz besonderer Moment, wenn meine Musik das erste Mal erklingt, weil die Musiker und hier auch die Sänger das Geschriebene durch ihre Interpretation mit Leben füllen und dadurch etwas ganz Eigenes schaffen, was man als Komponist nur bedingt lenken kann. Ich finde das ganz toll und versuche, durch meine Anwesenheit keinen falschen Druck auszuüben, der diese Offenheit zerstört. Man muss zwar zur Verfügung stehen, aber man sollte auch den Ausführenden vertrauen und loslassen.
Eine Gabe, die nicht viele Ihrer Kollegen besitzen, die zudem bis zur letzten Sekunde Änderungen vornehmen.
Ich habe doch lange genug, in diesem Fall ein gutes Jahr, Entscheidungen für mich getroffen. Man muss aufpassen, durch die eigene Nervosität nicht in Panik zu geraten und Dinge zu ändern, die man im Abstand noch richtig gefunden hatte. Man bringt oft mehr durcheinander, als dass man positiv verändert.
Das klingt erstaunlich abgeklärt. Immerhin ist "Das Fest im Meer" Ihre erste abendfüllende Oper nach kleineren musiktheatralen Werken.
Ja, und eine Riesenherausforderung, von der ich anfangs nicht wusste, ob ich sie meistere. Ich versuche mir immer den Gesamtbogen eines Werks klar zu machen, worauf es hinauslaufen soll. Bei kurzen Kompositionen habe ich das Gefühl, sie steuern zu können und genau zu wissen, an welchem Punkt ich gerade stehe. In dieser 100-minütigen Oper musste ich mir eine sehr genaue Wegbeschreibung bauen, um nicht den Überblick zu verlieren.
Woher kommt Ihre Affinität zum Gesang?
Ich glaube, dass Gesang die natürlichste, direkteste und intensivste Art ist, sich auszudrücken. Ich bin übrigens kein Komponist, der Opern schreibt, weil er die bestehenden nicht mag. Ich fühle mich von der Tradition sehr angesprochen und liebe besonders die Opern von Franz Schubert, obwohl die kaum bekannt sind. Ich finde es berührend, wie er es schafft, mit ganz wenigen Mitteln Tiefe zu erzeugen.
Die brauchen Sie auch für Ihre Oper, die auf John Bergers Roman "To the Wedding" basiert und von zwei Liebenden erzählt, die heiraten, obwohl die Frau HIV-positiv ist.
Es stimmt. Es ist kein Stück, das durch Lärm großen Eindruck macht. Es ist filigran und versucht mit Feinheiten, beispielsweise Vierteltönen, keinen hart klingenden Instrumenten und leuchtenden Klängen die Hörer hineinzuziehen und nicht zu erdrücken.
Wollen Sie heute, wo wieder große Sorglosigkeit gegenüber Aids herrscht und der Virus sich epidemisch verbreitet, warnen? Oder wollen Sie ermutigen, jeden Tag auszukosten?
Mir und dem Librettisten Francis Hüsers war wichtig, ein Thema von heute zu wählen. Es ist natürlich auch eine Parabel auf die Endlichkeit des Lebens und ein Verweis darauf, dass nicht nur Risikogruppen diese Krankheit bekommen. Die Frau gehört nicht zu ihnen. Die Tendenz ist doch heute, solche Themen ganz groß hochzufahren und dann schnell zu vergessen. Dem muss man entgegenwirken.
Die Welt, 13. Juni 2003
Das Gelübde ewiger Armut scheint Jörn Arnecke nicht abgelegt zu haben, im Gegensatz zu manchem seiner jungen Komponistenkollegen, die für die Schublade schreiben. Er hat gut zu tun. Sein jüngstes Musiktheaterwerk für Kammerorchester, "Das Fest im Meer", eine Auftragsarbeit der Staatsoper, wird am 17. dieses Monats auf Kampnagel aus der Taufe gehoben. Gerade kommt der jungenhaft frische und vom Uraufführungs-Stress keineswegs gezeichnete 29-Jährige von der Probe. "Ich bin kein manischer Komponist", gibt Arnecke eine mögliche Erklärung, "aber wenn man nicht trotzdem für die Sache brennt, wird es nichts." Für die WELT sprach Monika Nellissen mit dem jungen Mann, der in Hamburg und Paris studiert hat.
Sie hören Ihre Musik in diesen Tagen zum ersten Mal konkret mit dem Philharmonischen Staatsorchester. Haben sich die Klangvorstellungen Ihres inneren Ohrs eingelöst?
Es ist immer ein ganz besonderer Moment, wenn meine Musik das erste Mal erklingt, weil die Musiker und hier auch die Sänger das Geschriebene durch ihre Interpretation mit Leben füllen und dadurch etwas ganz Eigenes schaffen, was man als Komponist nur bedingt lenken kann. Ich finde das ganz toll und versuche, durch meine Anwesenheit keinen falschen Druck auszuüben, der diese Offenheit zerstört. Man muss zwar zur Verfügung stehen, aber man sollte auch den Ausführenden vertrauen und loslassen.
Eine Gabe, die nicht viele Ihrer Kollegen besitzen, die zudem bis zur letzten Sekunde Änderungen vornehmen.
Ich habe doch lange genug, in diesem Fall ein gutes Jahr, Entscheidungen für mich getroffen. Man muss aufpassen, durch die eigene Nervosität nicht in Panik zu geraten und Dinge zu ändern, die man im Abstand noch richtig gefunden hatte. Man bringt oft mehr durcheinander, als dass man positiv verändert.
Das klingt erstaunlich abgeklärt. Immerhin ist "Das Fest im Meer" Ihre erste abendfüllende Oper nach kleineren musiktheatralen Werken.
Ja, und eine Riesenherausforderung, von der ich anfangs nicht wusste, ob ich sie meistere. Ich versuche mir immer den Gesamtbogen eines Werks klar zu machen, worauf es hinauslaufen soll. Bei kurzen Kompositionen habe ich das Gefühl, sie steuern zu können und genau zu wissen, an welchem Punkt ich gerade stehe. In dieser 100-minütigen Oper musste ich mir eine sehr genaue Wegbeschreibung bauen, um nicht den Überblick zu verlieren.
Woher kommt Ihre Affinität zum Gesang?
Ich glaube, dass Gesang die natürlichste, direkteste und intensivste Art ist, sich auszudrücken. Ich bin übrigens kein Komponist, der Opern schreibt, weil er die bestehenden nicht mag. Ich fühle mich von der Tradition sehr angesprochen und liebe besonders die Opern von Franz Schubert, obwohl die kaum bekannt sind. Ich finde es berührend, wie er es schafft, mit ganz wenigen Mitteln Tiefe zu erzeugen.
Die brauchen Sie auch für Ihre Oper, die auf John Bergers Roman "To the Wedding" basiert und von zwei Liebenden erzählt, die heiraten, obwohl die Frau HIV-positiv ist.
Es stimmt. Es ist kein Stück, das durch Lärm großen Eindruck macht. Es ist filigran und versucht mit Feinheiten, beispielsweise Vierteltönen, keinen hart klingenden Instrumenten und leuchtenden Klängen die Hörer hineinzuziehen und nicht zu erdrücken.
Wollen Sie heute, wo wieder große Sorglosigkeit gegenüber Aids herrscht und der Virus sich epidemisch verbreitet, warnen? Oder wollen Sie ermutigen, jeden Tag auszukosten?
Mir und dem Librettisten Francis Hüsers war wichtig, ein Thema von heute zu wählen. Es ist natürlich auch eine Parabel auf die Endlichkeit des Lebens und ein Verweis darauf, dass nicht nur Risikogruppen diese Krankheit bekommen. Die Frau gehört nicht zu ihnen. Die Tendenz ist doch heute, solche Themen ganz groß hochzufahren und dann schnell zu vergessen. Dem muss man entgegenwirken.
Die Welt, 13. Juni 2003